War da was? Das Berliner Radlückennetz

Das 2.698 km lange Berliner Radnetz besteht immer noch hauptsächlich aus Lücken. 2.553 km sind immer noch ohne zeitgemäße Radinfrastruktur. Vorrang für Fuß-, Rad- und öffentlichen Nahverkehr ist in Berlin gesetzlich vorgeschrieben – die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Die halbjährige Aktualisierung des Changing Cities Radnetz-Monitors zeigt: Das Radnetz bleibt ein Radlückennetz.

Vor sechs Jahren wurde das Mobilitätsgesetz verabschiedet, in sechs Jahren soll das Radnetz fertig sein. Wir haben also Halbzeit. Allerdings fühlt sich die Zeit davor eher als eine ausgedehnte Pause an: Gerade mal 10,6 km Radverkehrsanlagen – unter Außerachtlassen der Standards! – wurden 2024 erstellt. Der Radverkehrsplan schreibt dieses Jahr allein im Vorrangnetz 100 km vor.

Somit wurden bis Ende Juni 2024 5,4 Prozent des Radverkehrsnetzes fertiggestellt, aber leider nur 1,5 Prozent mit Einhalten der Standards des Radverkehrsplans. Entgegen dem Wahlkampfversprechen und dem Koalitionsvertrag der amtierenden Regierung von CDU und SPD liegt die realisierte Länge deutlich unter den Ergebnissen der Vorgängerregierung, die ja nun auch nicht gerade beeindruckend war. 

„Dieses Radlückennetz wird langsam zur Farce. Keine andere Infrastruktur wird so stiefmütterlich behandelt: Wie wäre es, wenn 95 Prozent der Berliner*innen kein Mobilnetz oder Internet zur Verfügung stünde? Keine U-Bahn oder Busse? Die Senatsverwaltung ist dafür verantwortlich, den Vorrang des Fuß-, Rad- und öffentlichen Nahverkehrs in Berlin infrastrukturell abzusichern. Den Radverkehr aus ideologischen Gründen derart auszubremsen, ist ein eklatanter Gesetzesbruch“, kommentiert Inge Lechner von Changing Cities. 

Nicht nur der Ausbau wird vom SPD/CDU-Senat verhindert, auch die Vorplanungen für die kommenden Jahre finden kaum statt. Statt des erforderlichen Hochlaufs, wie ihn der Radverkehrsplan vorschreibt (z. B. Jahr 2025: 200 km, Jahr 2026: 250 km), ist ein weiterer Einbruch der Kilometerleistung in den nächsten Jahren absehbar. Denn wer heute wenig plant, kann morgen auch nichts bauen. 

Der Ausbau in den Bezirken geht sehr unterschiedlich voran. Friedrichshain-Kreuzberg (mit 12,2 km von 54,0 km gleich 22,5 Prozent), Tempelhof-Schöneberg (mit 8,3 km von 61,6 km gleich 13,5 Prozent) und Mitte (mit 8,3 km von 76 km gleich 11 Prozent) sind bei ihrem Vorrangnetz seit 2018 am weitesten vorangekommen. Das Schlusslicht ist der Bezirk Spandau mit 0,6 km von 49,7 km gleich 1,2 Prozent des Vorrangnetzes. 

Sichere Infrastruktur für Menschen ohne Kfz gehört zur Daseinsvorsorge. Punkt.

Pressekontakt:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, +49 171 535 77 34

Weiterführende Links:
Informationen zum Radnetz-Monitoring
Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.