Vor zehn Jahren beantragte der Bezirk Lichtenberg zum ersten Mal Tempo 30 vor der Adam-Ries-Schule. Seitdem hat der Senat mindestens fünf Mal und letztmalig im Oktober 2023 das Begehren der Eltern und des Bezirks abgelehnt mit der Begründung, dass die wenige Meter entfernten Eingangsbereiche der Schule, des Seniorenheims und zweier Kindergärten nicht direkt an der Hauptverkehrsstraße liegen. Changing Cities findet die Ignoranz der Senatsverwaltung gegenüber dem jahrelangen Engagement der Eltern verstörend. Mit der novellierten StVO sind solche Ausreden nicht mehr möglich.
Sofort nach Inkrafttreten der neuen StVO kann der Senat Tempo 30 auch in der Gensinger Straße – einer Hauptverkehrsstraße – ohne den Nachweis einer sogenannten Gefahrenlage anordnen (§45 Abs. 9 S. 4 Nr. 4 + 6 StVO nF). Bisher hätten dort zunächst schwere Unfälle nachgewiesen werden müssen, bevor die Behörden den Kfz-Verkehr hätten einschränken dürfen. Der Senat konnte also bisher argumentieren, dass vor der Adam-Ries-Schule nicht genügend schwere Unfälle passieren, die eine Geschwindigkeitsbegrenzung begründen. Die jahrelangen Sorgen von Eltern und Kindern spielten keine Rolle. Denn es gab sehr wohl mehrere Unfälle am Zebrastreifen in der Gensinger Straße, von denen Kinder betroffen waren.
Mit der neuen StVO ändert sich einiges: An hochfrequentierten Schulwegen, Spielplätzen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen kann der Senat nun endlich Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen einrichten.
„Tempo 50 direkt vor dem Schulgelände, regelmäßige Unfälle und dazu ein ständiges Feilschen seitens der Senatsverwaltung, wo welcher Eingang liegt – nur, um eine Verkehrsberuhigung zu vermeiden: Dieses Verhalten ist zynisch. Mit dem Inkrafttreten der neuen StVO müssen Schulen wie die Adam-Ries-Schule nicht mehr Jahrzehnte auf sichere Schulwege für ihre Kinder warten. Die Verlangsamung des Kfz-Verkehrs, die sofortige Entschärfung von Gefahrenstellen bei gleichzeitigem Ausbau von sicheren Rad- und Fußwegen, das ist der Schlüssel zu guten Schulwegen“, sagt Girina Holland von der Changing Cities–Schulstraßenkampagne.
Schulwege müssen vor allem kindgerecht gestaltet werden, damit sie wirklich sicher sind. Sichtbeziehungen müssen für Grundschulkinder optimiert werden. Kreuzungen sind sicherer zu gestalten und Radwege von parkenden Kfz frei zu halten. Die Trennung von Rad- und Gehwegen schützt darüber hinaus Fußgänger*innen.
Der öffentliche Raum gehört ja auch den Kindern – ihr Recht auf selbständige Mobilität wird aber nicht ernst genommen und weitgehend ignoriert. Dies spiegelt sich in den Unfallzahlen wider: Zehn Kinder verunglücken pro Tag in Berlin im Straßenverkehr: ja, zehn Kinder pro Tag.
Mit Schulstraßen setzt sich Changing Cities für sichere, autofreie Räume vor Schulen und Bildungseinrichtungen ein. Diese sind eine schnelle Maßnahme, um kindgerechte Räume in der Stadt zu schaffen. Hierzu hat Changing Cities eine Petition gestartet, die weiterhin unterstützt werden kann: https://weact.campact.de/petitions/kinder-schutzen-jetzt-schulstrassen-fur-berlin-und-ganz-deutschland
Pressekontakt:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, +49 171 535 77 34
Weiterführende Links:
Informationen zu Schulzonenkamapgne
Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.