Verkehrswende-Monitor Berlin: Das Radnetz

Das Berliner Radnetz

Mit unserem Verkehrswende-Monitor vergleichen wir die Ziellänge des Radnetzes mit der aktuell umgesetzten Länge: Wir messen und dokumentieren, was auf den Straßen seit 2018 tatsächlich gebaut wurde. Dabei berücksichtigen wir auch, ob die festgelegten Standards der vier Netzkategorien eingehalten werden.

Stand: 31. Dezember 2023

Erläuterungen zu dieser Karte

Auf der Karte zeigen wir vier verschiedene Netzkategorien:

Radschnellverbindungen
Die Radschnellverbindungen sind Verbindungen über größere Entfernungen für durchgängig sicheres Befahren – auch mit höheren Reisegeschwindigkeiten. Da diese Radwege nur in Ausnahmefällen unterbrochen werden (durch Ampeln, Kreuzungen usw.), ist ein sehr flüssiges Radfahren möglich.

Radschnellverbindungen dienen vor allem dazu, Pendler*innen den Weg in die Stadt zu erleichtern. Eine Strecke von 10 bis 15 km mit Fahrrad oder E-Bike ist – auf gut ausgebauten und sicheren Radwegen – für viele Menschen eine praktische, gesündere und schnellere Alternative zum Auto.

Diese Radschnellverbindungen sollen bevorzugt auf eigenständigen Sonderwegen, getrennt vom Fußverkehr, geführt werden und mindestens 5 km lang sein. In Berlin soll es neun solcher Radschnellverbindungen mit einer Gesamtlänge von ca. 100 km geben. Sie zeichnen sich durch besondere Qualitätsstandards der Linienführung, der Netzverknüpfung, der Erkennbarkeit und der Ausstattung aus (§ 45 MobG).
Vorrangnetz
Das Vorrangnetz ist das Herzstück des Berliner Radverkehrsnetzes. Es beinhaltet besonders wichtige Verbindungen von gesamtstädtischer Bedeutung; also Routen, die wichtige Punkte in der Stadt verbinden. Hier soll dem Radverkehr Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden, unter anderem auch durch Ampelschaltungen für eine grüne Welle für Radfahrende (§ 42 MobG). Der Grund: Die Menschen sollen mit dem Rad so sicher und komfortabel unterwegs sein wie bisher mit dem Pkw – erst dann stellt das Rad eine echte Alternative dar.
Ergänzungsnetz
Fahrradfahren ist nach wie vor unschlagbar effizient auf kurzen und mittleren Distanzen. Dafür ist das Ergänzungsnetz da. Es besteht meist aus Fahrradstraßen und Nebenstraßen, die eine wichtige Erschließungs- und Verbindungsfunktion über kurze und mittlere Entfernungen haben. Nebenstraßen sollen als Fahrradstraßen ausgewiesen werden. Motorisierter Durchgangsverkehr soll aus dem entsprechenden Straßenabschnitt herausgehalten werden. Es sollen sichere Geschwindigkeiten angestrebt und das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verhindert werden (§ 44 MobG).
Radverkehrsanlagen an Hauptverkehrsstraßen
Alle Radwege an oder auf Hauptverkehrsstraßen sollen laut Mobilitätsgesetz geschützte Radinfrastruktur erhalten. Hauptverkehrsstraßen haben für alle Stadtbewohner*innen eine wichtige Erschließungs-, aber auch Verbindungsfunktion – so auch für Radfahrende, vorausgesetzt man kann dort mit sicherem Abstand zu parkenden und fahrenden Kraftfahrzeugen radeln. Entscheidend ist, dass der Radweg gegen unzulässiges Befahren von Kraftfahrzeugen geschützt und so breit ist, dass sich Radfahrende sicher überholen können (§ 43 MobG).

Wir zeigen zwei Erfüllungsniveaus:

Teilweise umgesetzt
Das kann z. B. bedeuten, dass der  Radweg nur in einer Fahrtrichtung gebaut wurde oder dass ein baulicher Standard nur teilweise erfüllt ist. Letzteres kann z. B. heißen, dass die Breite des Radwegs oder die Oberfläche ungenügend sind. Wie beim Kfz-Verkehr gibt es Standards, die für ein flüssiges Fahren notwendig sind. Teilweise umgesetzt heißt also: Es entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben. Die Standards sollen nicht teilweise, sondern vollständig und konsequent umgesetzt werden.
Umgesetzt
Hier müssen die wesentlichen baulichen Standards erfüllt sein – so wie laut Radverkehrsplan vorgesehen. So muss z. B. die Oberfläche gut zum Radfahren geeignet sein und der Radweg vor Störungen durch Kfz geschützt sein. 

Die Bezirke im Fokus

Hier dokumentieren wir, in welchem Maß die Bezirke das Vorrangnetz umsetzen. Gezeigt wird, wie viel Prozent des geplanten Vorrangnetzes umgesetzt sind.

Der Ausbaustand bleibt hinter den Zielen bis 2030 deutlich zurück

Der Radverkehrsplan nennt jährliche Ausbauziele für das Ergänzungsnetz und das Vorrangnetz. Diese haben wir abgebildet. Aber auch Radschnellverbindungen und Radverkehrsanlagen an Hauptstraßen sollen bis 2030 fertiggestellt sein; hier fehlen genauere Angaben seitens der Senatsverwaltung. Wir haben deshalb eine Prognose für den Ausbau dieser beiden Netzkategorien gewagt: Bei den Hauptverkehrsstraßen hätte man gleich nach Verabschiedung des Mobilitätsgesetzes anfangen können; bei den Radschnellverbindungen hatten wir 2025 als einen realistischen Baubeginn geschätzt; hier treten allerdings massive Verzögerungen auf. Es wird deutlich: Da in den ersten sechs Jahren wenig passiert ist, muss das Ausbautempo in den nächsten sechs Jahren rasant steigen. Unser Monitoring ergibt, dass die sehr bescheidenen Ausbauziele auch in 2023 nicht erreicht wurden. 

Der jährliche Zuwachs beim Radnetz ist gesunken

Für die Jahre 2018 bis 2021 haben wir den Ausbaufortschritt u.a. anhand von Luftbildern geschätzt. Seit 2022 besichtigen wir den Baufortschritt beim Radnetz selbst vor Ort. Vergleicht man, wie viele Kilometer Radwege in Berlin jährlich neu auf die Straße gebracht wurden, wird deutlich: Die Zuwächse gehen zurück. Im Jahr 2023 wurde deutlich weniger gebaut als 2022. 

Methodik – so begründen sich unsere Zahlen

Woher habt Ihr die Daten für das Radnetz-Monitoring?

Direkt von der Straße: Wir haben die gebauten Radverkehrsanlagen vor Ort vermessen.

Auch andere Kriterien, die im Radverkehrsplan festgehalten sind, haben wir uns vor Ort angeschaut und bewertet: Darunter sind z. B. die Oberfläche, die Führungsform (z. B. Radfahrstreifen, geschützter Radfahrstreifen oder Radweg) oder die Breite. 

Wann entspricht eine Radverkehrsanlage dem Standard? 

Wir beziehen uns auf die wesentlichen Standards für Radverkehrsanlagen für jede Netzkategorie, die im Radverkehrsplan definiert sind. Wir bewerten sechs wesentliche Standards: 

1. Die Führungsform
Eine Radverkehrsanlage kann verschiedene Formen haben: Es kann ein Radweg sein, ein Radfahrstreifen (ein durch durchgezogene Linien gekennzeichneter Bereich auf der Fahrbahn für den Fahrradverkehr), ein geschützter Radfahrstreifen (ein z. B. durch Poller baulich getrennter Radfahrstreifen), ein sogenannter Schutzstreifen (ein durch gestrichelte Linien abgetrennter Bereich, der vorrangig dem Radverkehr zur Verfügung steht) oder ein gemeinsamer Rad- und Gehweg. Ein Beispiel: Bei Radschnellverbindungen sind unsichere Führungsformen wie der Standard „Schutzstreifen“ nicht zulässig. Wir haben deswegen überprüft, ob die vorgesehene Radschnellverbindung überall ohne „Schutzstreifen“ auskommt, ob also die gesetzlich vorgeschriebenen Standards eingehalten wurden oder nicht.
2. Die Breite der Radverkehrsanlage
Es ist vorgeschrieben, dass beispielsweise Radwege, Radfahrstreifen oder geschützte Radfahrstreifen im Vorrangnetz 2,5 m breit sein sollen, damit Radfahrende auch ein breites Lastenrad sicher überholen können.
3. Die Oberfläche der Radverkehrsfläche
Für das Vorrangnetz gilt, dass die Oberfläche aus Asphalt oder Material vergleichbarer Qualität bestehen soll und eben, griffig und allwettertauglich sein soll.
4. Die Ampeln
Hier geht es darum, ob die Ampeln („Lichtsignalanlagen“) so programmiert wurden, dass der Radverkehr priorisiert wird. Das soll Zeitverluste im Vorrangnetz an ausgewählten Lichtsignalanlagen verringern.
5. Die Kreuzungen
Hier wurde festgelegt, dass der Radverkehr auf Fahrradstraßen an Kreuzungen Vorrang haben soll. Dies gilt für das Vorrangnetz, aber z. B. nicht für das Ergänzungsnetz.
6. Die Gefahren durch Kraftfahrzeuge
Die Gefahren durch Störungen durch Kraftfahrzeuge sollen auf der Radverkehrsanlage unterbunden werden. Das kann z. B. durch Poller geschehen oder durch gegenläufige Einbahnstraßen.

Alle diese Standards erhalten von uns einen der Werte „Erfüllt“, „Teilweise erfüllt“ oder „Nicht erfüllt“.

Warum ist die Einhaltung der Standards so wichtig?

Bislang ist Radfahren in Berlin nicht für alle Menschen sicher und komfortabel. Die Einhaltung der Standards ermöglicht Wiedererkennung und einheitliche Wege, gewinnt damit das Vertrauen der Radfahrenden – und ermöglicht so denjenigen das Radfahren, die bisher davon ausgeschlossen sind (z. B. Kinder und Senior*innen). Wer mit dem Dreirad unterwegs ist, braucht schlicht einen breiteren Weg als eine Rennradfahrer*in. Auch wenn beide gleichzeitig unterwegs sind, brauchen sie Platz zum Überholen.

Mit Pollern geschützte Radwege machen Radfahren endlich auch für diejenigen sicher, die gerade erst Radfahren gelernt haben oder sich vor den Gefahren durch den Autoverkehr fürchten.

Schließlich geht es auch um Standards im Sinne von Verlässlichkeit. Wir möchten uns darauf verlassen können, dass Radwege eindeutig farblich markiert und gut ausgeschildert sind. Radfahren in Berlin soll kein Abenteuer sein – sondern kinderleicht. Das sollte für eine moderne Stadt selbstverständlich sein.

Wo finde ich das Monitoring von 2023?

Im Januar 2023 haben wir die erste systematische Auswertung des Berliner Radnetzes veröffentlicht, im Juni 2023 dann die Zahlen aktualisiert. Diese Seite bezieht sich auf Daten zum Stichtag 31.12.2023.