Berliner Polizei ignoriert Verkehrsordnungswidrigkeiten

Weniger als 25 Prozent der gestellten Anzeigen wurden 2021 von der Polizei überhaupt bearbeitet. Seit letztem Oktober – und parallel zum Inkrafttreten des neuen Bußgeldkatalogs mit erhöhten Strafen – fiel die Zahl der gefertigten Anzeigen auf 2,5 Prozent. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Changing Cities kritisiert die offensichtliche Ignoranz der Sicherheits- und Ordnungsbehörden scharf. Wenn sogar die zuständigen Behörden bestehende Gesetze nach Gutdünken ignorieren, verstehen die Bürger*innen nur eins, nämlich: Macht doch, was ihr wollt!

Die Wirkung der zum Teil erheblich höheren Geldstrafen durch den neuen Bußgeldkatalog verpuffen, wenn Regelmissachtungen nicht verfolgt werden. „Wenn Falschparken, Rasen, Rotlichtverstöße oder Auto-Posing als Kavaliersdelikte behandelt werden, ist es nicht nur ein internes polizeiliches Problem. Dadurch werden zu viele Fußgänger*innen und Radfahrende jedes Jahr verletzt oder getötet. Richtig absurd wird es, wenn Bürger*innen mithelfen sollen, Gefährdungen zu identifizieren, diese Hilfe dann aber mit Füßen getreten wird. Verarschen können wir uns selbst!”, kommentiert Ragnhild Sørensen  von Changing Cities.

Der Verein hinter dem Volksentscheid Fahrrad und der #Kiezblocks-Kampagne kritisiert, dass Vision-Zero-Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit – wie sichere Kreuzungen oder geschützte Radwege – nicht wirken können, wenn unsere Straßen nach wie vor als gesetzesloser Bereich gelten. „Die Verkehrswende ist nur so gut wie ihre Durchsetzung – und da hapert es offensichtlich enorm. Diese Missachtung der Gesetze ist ein Skandal. Denn sie offenbart ein demokratisches Defizit in der Verwaltung, die zu einer ideologisch geprägten Interpretation von Gesetzen führt: Dem allzubekannten Berliner Nichts-Tun”, sagt Sørensen. 

Die Polizei ist gesetzlich verpflichtet, nach dem sogenannten Opportunitätsprinzip vorzugehen. Das bedeutet, dass schwerere Verstöße priorisiert geahndet werden müssen. Die Strafen sind im neuen Bußgeldkatalog vor allem für besonders gefährliche Vergehen angehoben worden, demzufolge müsste sie diese also prioritär ahnden und nicht noch mehr ignorieren.

Der neue rot-grün-rote Senat lobt in der Koalitionsvereinbarung Verbesserung: Die Koalition wird „Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) […] stärker kontrollieren und ahnden.“ Changing Cities fordert, dass der Senat sofort Maßnahmen zur Verbesserung, wie z.B. Aufstockung des Personals, ergreift. Denn die Tatsache, dass eine Ordnungswidrigkeit nach drei Monaten verjährt, kombiniert mit der Ignoranz der Bußgeldstelle bedeuten de facto, dass man die Missachtung der Verkehrsregeln willkommen heißt.

Grafik mit Zahlen der Berliner Polizei: Verhältnis zw. eingegangenen Mail-Anzeigen und gefertigen Anzeigen von Oktober 2018 bis Dezember 2021. Ab etwa September 2021 werden kaum noch Anzeigen bearbeitet.

Ansprechpartnerin Changing Cities e.V.:

Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, 0171 535 77 34

Weiterführende Links:

Statistik der Berliner Bußgeldstelle zu Anzeigen

Informationen zu Changing Cities e.V.

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