Aus dem Radnetzmonitoring von 2023 ist in 2024 der Berliner Verkehrswende-Monitor geworden! Hier findet ihr die aktuellsten Zahlen.
Wir haben mit dem „Volksentscheid Fahrrad“ das Mobilitätsgesetz erkämpft. Wir brauchen ein lückenloses Radnetz. Zum fünften Geburtstag des Mobilitätsgesetzes dokumentieren wir hier den Ausbau des gesamten Berliner Radverkehrsnetzes.
Datengrundlage: Eigene Erhebungen. Dargestellt mithilfe des Kartenmaterials des Geoportal Berlin/Radverkehrsnetz, Stand Juli 2022. Radschnellverbindungen der GB infraVelo GmbH, Ullsteinhaus, Mariendorfer Damm 1, 12099 Berlin, Stand August 2022.
Monitoring: Fertiggestellte Radwege, die mindestens einen baulichen Standard teilweise erfüllen (Stand Juni 2023) Download PDF
Laut dem Berliner Mobilitätsgesetz soll der Ausbau des Radnetzes bis 2030 erfolgen. Das steht so in §41, Absatz 4. Bis dahin sind es noch sieben Jahre.
Von den 2.698 Kilometern wurden seit 2018, als das Gesetz in Kraft trat, gerade mal 121 km fertiggestellt. Das sind 4,5 Prozent, und das ist zu wenig. Das ist kein Radnetz.
Das ist ein Radnetz
Datengrundlage: Eigene Erhebungen. Dargestellt mithilfe des Kartenmaterials des Geoportal Berlin/Radverkehrsnetz, Stand Juli 2022. Radschnellverbindungen der GB infraVelo GmbH, Ullsteinhaus, Mariendorfer Damm 1, 12099 Berlin, Stand August 2022.
So soll das vollständige Radnetz 2030 aussehen Download PDF
Mit dem fertig gebauten Radnetz können die Berliner*innen schnell und bequem mit dem Rad von A nach B kommen. Im Gegensatz zu einzelnen Radwegen ermöglicht das Radnetz es, ununterbrochen sicher unterwegs zu sein. Das Radnetz besteht aus vier verschiedenen Netzkategorien: den Radschnellverbindungen, dem Vorrangnetz, dem Ergänzungsnetz und den Radverkehrsanlagen an Hauptverkehrsstraßen.
Ausbauziele für das Berliner Radnetz bis 2030 basierend auf eigenen Prognosen sowie dem Radverkehrsplan des Landes Berlin.
Der Radverkehrsplan nennt jährliche Ausbauziele für das Ergänzungsnetz und das Vorrangnetz. Diese haben wir abgebildet. Aber auch Radschnellverbindungen und Radverkehrsanlagen an Hauptstraßen sollen bis 2030 fertiggestellt sein; hier fehlen allerdings genauere Angaben seitens der Senatsverwaltung. Wir haben deshalb eine Prognose für den Ausbau dieser beiden Netzkategorien gewagt: Bei den Hauptverkehrsstraßen hätte man gleich nach Verabschiedung des Mobilitätsgesetzes anfangen können; bei den Radschnellverbindungen scheint uns 2025 ein realistischer Baubeginn. Es wird deutlich: Da in den ersten fünf Jahren wenig passiert ist, muss das Ausbautempo in den nächsten sieben Jahren rasant steigen. Unser Monitoring ergibt, dass selbst die sehr bescheidenen Ziele bis 2022 nicht erreicht wurden.
Unser Monitoring
Um den Ausbau des Radnetzes zu begleiten, haben wir ein Monitoring aufgesetzt.
Mit unserem Monitoring vergleichen wir IST- und SOLL-Längen der umgesetzten Radverkehrsanlagen, indem wir messen und dokumentieren, was auf der Straße seit 2018 tatsächlich gebaut wurde. Dabei berücksichtigen wir auch, ob die festgelegten Standards der vier Netzkategorien eingehalten werden.
Datengrundlage: Eigene Erhebungen. Dargestellt mithilfe des Kartenmaterials des Geoportal Berlin/Radverkehrsnetz, Stand Juli 2022. Radschnellverbindungen der GB infraVelo GmbH, Ullsteinhaus, Mariendorfer Damm 1, 12099 Berlin, Stand August 2022.
Monitoring: Fertiggestellte Radwege, die mindestens einen baulichen Standard teilweise erfüllen (Stand Juni 2023) Download PDF
Datengrundlage: Eigene Erhebungen. Dargestellt mithilfe des Kartenmaterials des Geoportal Berlin/Radverkehrsnetz, Stand Juli 2022. Radschnellverbindungen der GB infraVelo GmbH, Ullsteinhaus, Mariendorfer Damm 1, 12099 Berlin, Stand August 2022.
Monitoring: Fertiggestellte Radwege, die die wesentlichen baulichen Standards erfüllen (Stand Juni 2023) Download PDF
In der ersten Karte mit den 121 km haben wir z.B. alle Radverkehrsanlagen berücksichtigt, bei denen mindestens ein baulicher Standard teilweise erfüllt ist. Das kann z. B. die Breite des Radweges oder die Oberfläche sein. Das entspricht aber eigentlich nicht den gesetzlichen Vorgaben. Die Standards sollen ja nicht nur teilweise, sondern vollständig und konsequent umgesetzt werden.
In einer zweiten Karte haben wir die Radwege dargestellt, wo die wesentlichen baulichen Standards erfüllt sind – so wie es eigentlich sein soll. Die Oberfläche muss z. B. gut zum Radfahren geeignet sein und der Radweg muss vor Störungen durch Kfz geschützt sein. Nach diesen strengeren Kriterien wurden erst 1 Prozent bzw. 28 km des Berliner Radnetzes fertiggestellt.
Unser Fazit
Der Zuwachs an erneuerten Radverkehrsanlagen ist weiterhin viel zu gering. In diesem Tempo weitergebaut hieße, wir benötigen 110 Jahre bis zur Fertigstellung des Radverkehrsnetzes (und hätten die Standards nicht eingehalten).
Der Zuwachs ist in den letzten 6 Monaten bereits erlahmt. Neben jahreszeitlichen Gründen spiegeln sich hier insbesondere politische Gründe wider.
Der CDU/SPD-Senat hat sich im Regierungsprogramm gravierende Eingriffe ins Mobilitätsgesetz vorgenommen:
- Priorisierung: bedeutet praktisch eine Reduzierung des Radnetzes.
- Absenkung Standards: Der überwiegende (¾) Anteil der erneuerten Radverkehrsanlagen genügt schon jetzt nicht den Standards bzw. ist unvollständig. Das zeigt auch: Eine vermeintliche Blockade durch zu hohe Standards gibt es nicht. Standards werden schon bei den bestehenden Regeln unterschritten.
- Sanierung bestehender Radwege: führt zu einer Verstetigung vonminderwertigen, gefährlichen und zu schmalen Radwegen.
Nach nur 3 Monaten im Amt hat die Senatsverwaltung für Mobilität. Verkehr, Umwelt und Klimaschutz den Ausbau des Radnetzes in Berlin torpediert:
- 09. Mai SenMVKU stoppt parlamentarische Beratung in AGH von Teilen des MobG zumWirtschaft und Neue Mobilität
- 15. Juni SenMVKU stoppt Radprojekte (Vorrang fahrende und parkende Kfz)
- 20. Juni SenMVKU stoppt Finanzierung aller nicht im Bau befindlichen Radprojekte
- 27. Juni SenMVKU legt neuen Gesetzesentwurf vor: ohne Parkraummanagement, Neuverteilung
der Verkehrsflächen, Stadtzentrum ohne Verbrennermotoren, Reduktion des MIV und
Verkehrsvermeidung
Verkehrssenatorin Manja Schreiner stellt den Kern des Mobilitätsgesetze – den Vorrang des Umweltverbundes – grundsätzlich in Frage.
Das Mobilitätsgesetz hat zum Ziel, schwere und tödliche Unfälle zu vermeiden. Es priorisiert den Umweltverbund (Fuß- und Radverkehr, sowie ÖPNV) gegenüber dem Autoverkehr. So wird die Lebensqualität in Städten verbessert und ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung der Klimaziele geleistet.
Wir haben das Mobilitätsgesetz erkämpft und werden es nicht aufgeben.
FAQ
Woher habt Ihr die Daten für das Monitoring?
Auch andere Kriterien, die im Radverkehrsplan festgehalten sind, haben wir uns vor Ort angeschaut und bewertet: Darunter sind z. B. die Oberfläche, die Führungsform (z. B. Radfahrstreifen, geschützter Radfahrstreifen oder Radweg) oder die Breite.
Macht der Senat nicht selbst ein Monitoring und wo liegt der Unterschied zu Eurem?
Eine weitere Übersicht zum Ausbau des Radnetzes liefert die Tochtergesellschaft des Senats InfraVelo in einer Projektkarte. Hier werden allerdings die Zielwerte, also das SOLL, des Radnetzes nicht dargestellt und die Längen für den aktuellen Ausbauzustand, also das IST, nicht addiert. Es ist somit kein Monitoringsystem.
Wir monitoren den Ausbau aller vier Netzkategorien für das gesamte Radnetz.
Wann entspricht eine Radverkehrsanlage dem Standard?
Die Führungsform: Eine Radverkehrsanlage kann verschiedene Formen haben: Es kann ein Radweg sein, ein Radfahrstreifen (ein durch Farbe oder Linien gekennzeichneter Bereich auf der Fahrbahn für den Fahrradverkehr), ein geschützter Radfahrstreifen (ein baulich getrennter Radfahrstreifen, z. B. durch Poller), ein sogenannter Schutzstreifen (ein durch gestrichelte Linien abgetrennter Bereich, der vorrangig dem Radverkehr zur Verfügung steht) oder ein gemeinsamer Rad- und Gehweg. Ein Beispiel: Bei Radschnellverbindungen sind unsichere Führungsformen wie der Standard „Schutzstreifen“ nicht zulässig. Wir haben deswegen überprüft, ob die vorgesehene Radschnellverbindung überall ohne „Schutzstreifen“ auskommt oder nicht – will heißen: ob die Standards eingehalten wurden oder nicht.
Die Breite der Radverkehrsanlage: Es ist beispielsweise vorgeschrieben, dass ein Radweg, Radfahrstreifen oder geschützter Radfahrstreifen im Vorrangnetz 2,5 m breit sein soll.
Die Oberfläche der Radverkehrsfläche: Für das Vorrangnetz gilt, dass die Oberfläche aus Asphalt, Ortbeton oder vergleichbaren Qualitäten bestehen soll und eben, griffig und allwettertauglich sein soll.
Die Ampeln: Hier geht es darum, ob die Ampeln („Lichtsignalanlagen“) so programmiert wurden, dass der Radverkehr priorisiert wird. Das soll zur Verringerung von Zeitverlusten im Vorrangnetz an ausgewählten Lichtsignalanlagen geschehen.
Die Kreuzungen: Hier wurde festgelegt, dass der Radverkehr auf Fahrradstraßen an Kreuzungen Vorrang haben soll. Dies gilt für das Vorrangnetz, aber z. B. nicht für das Ergänzungsnetz.
Die Gefahren durch Kfz: Störungen durch Kraftfahrzeuge sollen auf der Radverkehrsanlage unterbunden werden, was z. B. auf Radfahrstreifen durch Poller geschehen kann oder in Fahrradstraßen gegen den Kfz-Durchgangsverkehr durch Modalfilter oder gegenläufige Einbahnstraßen erreicht wird.
Alle diese Standards erhalten von uns einen der Werte “Erfüllt”, “Teilweise erfüllt” oder “Nicht erfüllt”.
Was sind der Radverkehrsplan und das Mobilitätsgesetz?
Dieses Radnetz wurde mit dem Radverkehrsplan Ende 2021 verabschiedet. Der Radverkehrsplan beschreibt in größerer Detailtiefe den Ausbau des Berliner Radverkehrsnetzes und legt Standards dafür fest. Hier werden auch grobe Zeitpläne für den Ausbau bis 2030 skizziert.
Warum ist die Einhaltung der Standards so wichtig?
Mit Pollern geschützte Radwege machen Radfahren endlich auch für diejenigen sicher, die gerade erst Radfahren gelernt haben oder sich aus nachvollziehbaren Gründen vor dem Autoverkehr fürchten.
Schließlich geht es auch um Standards im Sinne von Verlässlichkeit. Radfahren in Berlin soll kein Abenteuer sein, sondern kinderleicht. Wir wollen uns verlassen können auf eindeutig farblich markierte und gut ausgeschilderte Radwege.
In den letzten fünf Jahren hat sich Radfahren in Berlin doch schon spürbar verbessert. Wie lang soll das Radnetz denn noch werden?
Wie kommt es zu Abweichungen zwischen euren Annahmen und Angaben des Senats?
Was sind denn die Netzkategorien Radschnellverbindungen, Vorrangnetz, Ergänzungsnetz und Radverkehrsanlagen an Hauptverkehrsstraßen? Was unterscheidet sie?
Das Vorrangnetz beinhaltet besonders wichtige Verbindungen gesamtstädtischer Bedeutung. Hier soll dem Radverkehr Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden, u. a. auch durch Lichtsignalanlagen, die für einen fließenden Radverkehr koordiniert werden (§ 42 MobG).
Alle Radverkehrsanlagen an oder auf Hauptverkehrsstraßen sollen geschützte Radinfrastruktur erhalten. Hauptverkehrsstraßen haben eine wichtige Erschließungs-, aber auch Verbindungsfunktion über kurze und mittlere Entfernungen – auch für Radfahrende, wenn man dort sicher fahren kann durch einen sicheren Abstand zu parkenden Kraftfahrzeugen, dass der Radweg gegen unzulässiges Befahren von Kraftfahrzeugen geschützt ist und dass der Radweg so breit ist, dass sich Radfahrende sicher überholen können (§ 43 MobG).
Das Ergänzungsnetz besteht aus Fahrradstraßen und Nebenstraßen, die ebenfalls eine wichtige Erschließungs- und Verbindungsfunktion über kurze und mittlere Entfernungen haben. Nebenstraßen sollen als Fahrradstraßen ausgewiesen werden. Dort soll motorisierter Individualverkehr im jeweiligen Straßenabschnitt unterbleiben und Maßnahmen gegen das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sowie sicherheitsverträgliche Geschwindigkeiten angestrebt werden (§ 44 MobG).