Viel Gutes, wenig Konkretes: Ampel-Entwurf zum Straßenverkehrsgesetz

Laut Koalitionsvertrag soll das wenig bekannte Gesetz, das die Grundlagen der Straßenverkehrsordnung (StVO) bildet, das Straßenverkehrsgesetz (StVG), reformiert werden. Nun hat Verkehrsminister Wissing (FDP) einen Referentenentwurf vorgelegt. Changing Cities begrüßt, dass Klimaschutz und städtebauliche Entwicklung endlich Eingang ins Gesetz finden.

Gerade mal 24 Stunden hatten die Verbände Zeit, um eine Stellungnahme zum Referentenentwurf des Ministeriums für Digitales und Verkehr abzugeben. Das ist nicht nur für einen Verband wie Changing Cities, der zum großen Teil aus Ehrenamtlichen besteht, viel zu kurz. Zivilgesellschaftliche Beteiligung nur über ein so kurzes Zeitfenster zu ermöglichen, lässt mutmaßen, dass eine wirkliche demokratische Beteiligung vom Ministerium gar nicht erwünscht ist oder nicht priorisiert wird.

„Für zivilgesellschaftliche Organisationen ist eine 24-stündige Frist nicht hinnehmbar. In den letzten Jahren hat die Zivilgesellschaft über 50 Radentscheide auf die Beine gestellt – das sind mindestens 100.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit, in denen die Kommunen und Länder unterstützt werden, die Mobilitätswende voranzutreiben. Grundsätzlich begrüßen wir den Entwurf, denn ständig schränkt das Bundesrecht dabei den Handlungsspielraum der Kommunen ein. Wir werden den Weg durch die Gesetzgebungsorgane aufmerksam begleiten,“ kommentiert Ragnhild Sørensen von Changing Cities.

Inhaltlich kann der Entwurf einige Fortschritte vorweisen:
1) Das bestehende StVG priorisiert noch die Leichtigkeit und Sicherheit des (Kfz-)Verkehrs und alle anderen Mobilitätsformen haben nur dann eine Berechtigung, wenn nachweislich Gefahr für die Verkehrsteilnehmenden besteht. Mit dem nun vorgeschlagenen Entwurf wird es insbesondere für Kommunen – falls er mit den neuen Zielen den Weg durch den Bundestag und Bundesrat schafft – viel leichter, den Umweltverbund aus Gründen des Klimaschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung zu priorisieren und auf die Straße zu bringen. 

2) Ganz verabschiedet hat sich der Entwurf jedoch nicht von der Leichtigkeit des (Kfz-)Verkehrs, er stellt lediglich die Leichtigkeit mit dem Klimaschutz, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung gleich. Diese Gleichstellung ermöglicht aber immerhin einen Interpretationsspielraum, der die Mobilitätswende erheblich erleichtern könnte. 

3) Voraussetzung für die Wirkung der Novelle ist die zügige Neuausrichtung des StVO. Ziele zu formulieren ist gut und wichtig, bleibt aber wirkungslos, wenn sie nicht konkret mit Maßnahmen und geeigneten Anordnungsmöglichkeiten hinterlegt werden. Dies gilt insbesondere für die Abschaffung des Paragraphen 45, Absatz 9 StVO „Gefahrenabwehr“, der im heutigen Recht eine Hemmschwelle für die Anordnung von z. B. Bussonderstreifen , Radwegen, Zebrastreifen u.v.m. darstellt. 

4) Neben den Neuerungen beim Klimaschutz, Gesundheitsschutz und der städtebaulichen Entwicklung müsste die Vision Zero dringend als Ziel mit aufgenommen werden. Zwar wirken die bisher genannten Ziele oft auch fördernd für die Verkehrssicherheit, jedoch sind wir der Meinung, dass die Vision Zero entscheidend für den Ausbau des öffentlichen Raums und die Zunahme an aktiver, nicht geschützter Mobilität ist.

Ansprechpartnerin Changing Cities e.V.:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, +49 171 535 77 34

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Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.