Berlin, 18. September 2018 – Changing Cities e.V., als Träger des Volksentscheid Fahrrad, und der ADFC Berlin rufen auf zur Mahnwache und Aufstellung eines Geisterrades in Gedenken an den zehnten in diesem Jahr getöteten Radfahrer: Am Mittwoch, den 19. September um 17:30 Uhr an der Unfallstelle Mollstraße, Ecke Otto-Braun-Straße in Berlin-Mitte. Das Netzwerk Fahrradfreundliches Mitte und die Organisatoren sprechen den Angehörigen des Getöteten ihr tiefes Mitgefühl aus.
„Lkw überrollt Radfahrende.“ Diesen Satz schrieben wir am 23. Januar, am 13. Juni, am 8. August, am 8. September und gestern erneut. In mehr als der Hälfte aller Unfälle, bei denen 2018 in Berlin Radfahrer getötet wurden, überrollte ein Lkw den Radfahrer; ein weiterer Radfahrer starb, weil ein Lkw-Fahrer seine Tür unachtsam öffnete.
Der sechste Lkw-Unfall in diesem Jahr, bei dem ein Radfahrer getötet wurde, ereignete sich am Montag in der Mollstraße, Ecke Otto-Braun-Straße. Ein rechtsabbiegender Lkw überrollte einen Radfahrer, dieser starb noch am Unfallort an seinen Verletzungen. Der Lkw-Fahrer erlitt einen Schock und wurde ins Krankenhaus gebracht.
„Wir sind traurig, aber wir sind jetzt auch wütend. Schon im Januar haben Politikerinnen und Politiker versprochen, Maßnahmen gegen Lkw-Unfälle zu ergreifen! Wir brauchen ein Verbot für Lkw ohne elektronische Abbiegeassistenten in Berlin – jetzt und sofort!“, so Kerstin Leutloff, die beim Changing Cities e.V. Mahnwachen für getötete Radfahrende organisiert. „Wie viele müssen noch sterben?“
„Berlin darf nicht untätig bleiben und abwarten, bis die gesetzliche Pflicht für Lkw-Abbiegeassistenten auf europäischer Ebene beschlossen wird. London hat bereits verfügt, dass Lkw ohne ausreichende Sicherheitstechnik und entsprechende Spiegel ab 2020 nicht mehr in die Innenstadt fahren dürfen. Wir brauchen jetzt mutige Entscheidungen von unserer Landesregierung, damit das Sterben auf unseren Straßen endlich ein Ende hat“, so Evan Vosberg, stellvertretender Vorsitzender des ADFC Berlin.
Das Berliner Mobilitätsgesetz sieht vor, dass die Vision Zero, also die Verhinderung von Verkehrsunfällen mit schweren Personenschäden, die „Leitlinie für alle Planungen, Standards und Maßnahmen” (§ 10) ist. Changing Cities und ADFC Berlin, die das Mobilitätsgesetz mit erarbeitet haben, fordern von der Politik, das Gesetz unverzüglich umzusetzen. Insbesondere Unfälle zwischen Lkw-Fahrenden und Fahrradfahrer*innen, die häufig zum Tode führen, erfordern sofortiges Eingreifen.
In Berlin-Mariendorf ereignete sich am gestrigen Morgen ein ähnlicher Unfall: Eine Radfahrerin fuhr auf der Säntisstraße, als sie von einem Laster erfasst wurde, der aus gleicher Richtung kam und in den Mariendorfer Damm abbog. Die Frau wurde ins Krankenhaus gebracht und ist nur durch Glück außer Lebensgefahr. „Wir können das Problem mit den Lkw über verbesserte Infrastruktur nicht lösen. 40-Tonner haben im Umfeld von ungeschützten Verkehrsteilnehmer*innen nichts zu suchen, die Unfälle sprechen eine unmissverständliche Sprache. Wer Vision Zero ernst nimmt, ist als ganze Regierung gefragt: die Verkehrssenatorin für sichere Infrastruktur, die Wirtschaftssenatorin bei der Gewerbeaufsicht, der Innensenator bei schärferen Kontrollen und vor allem der regierende Bürgermeister, der endlich ein klares Bekenntnis zur Verkehrswende und dem Schutz des Lebens aller Berlinerinnen und Berliner abgeben muss“, so Denis Petri, Vorstandsmitglied von Changing Cities.
Der ADFC Berlin wird an der Unfallstelle in Berlin-Mitte ein weißes Geisterrad aufstellen. Nach der Mahnwache fahren die Teilnehmer*innen mit einer Fahrrad-Demo unter dem Motto “#VisionZero” gemeinsam zum Roten Rathaus.
Die Mahnwache und die anschließende Fahrt zum Roten Rathaus sind als Demonstrationen bei der Versammlungsbehörde angemeldet. Politiker*innen aus Senat, Abgeordnetenhaus und Bezirk wurden zur Teilnahme eingeladen.
Weiterführende Links:
Pressemeldung der Berliner Polizei zum Unfall vom 17. September 2018
Das Berliner Mobilitätsgesetz (mit Begründungen)
Bisher aufgestellte Geisterräder in Berlin 2018
Informationen zum „Toten Winkel“ an Lkw
Informationen zu Changing Cities e.V.
Informationen zum Netzwerk Fahrradfreundliches Mitte
Informationen zum Volksentscheid Fahrrad
Bilder zur kostenlosen Nutzung für die Presseberichterstattung
Ansprechpartner für die Presse im Team Changing Cities e.V./ Volksentscheid Fahrrad:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, 0171 535 77 34
Pressekontakt ADFC Berlin:
Nikolas Linck, nikolas.linck@adfc-berlin.de, 030 44049974 oder 0176 34228468
Über Changing Cities e.V.: Changing Cities e.V. ist am 23. Mai 2017 aus Netzwerk Lebenswerte Stadt e.V. umbenannt worden. Das bislang größte Projekt des Vereins ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürgerinitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.
Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Viele Verbände, Unternehmen und Wissenschaftler*innen unterstützten das Anliegen, das Radverkehrsgesetz (RadG) schnell in Kraft zu setzen. Ziel ist, dass wir Berlinerinnen und Berliner sicher und entspannt radfahren können; dafür hat die Initiative das Berliner Radverkehrsgesetz (RadG) erarbeitet. Nur mit dem RadG kann der Senat dauerhaft verpflichtet werden, schnell und aktiv eine gute Radinfrastruktur zu schaffen. Der 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benennt konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad ist Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berlinern unterschrieben – 7% der Wählerstimmen. Die neue Koalition hat zugesagt, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen, ein Mobilitätsgesetz auf Basis des RadGesetzes bis Frühjahr 2017 in Kraft zu setzen und ab 2018 jährlich mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege zu investieren. Über 100 aktive Mitstreiter*innen organisieren sich selbst durch Online-Projekttools und durch schnelle, handlungsorientierte Entscheidungsfindung.