Tot bei grüner Ampel? Die dritte getötete Fußgängerin innerhalb drei Wochen // Mahnwache am Dienstag 18. September 2018, 17:30 Uhr in der Marienfelder Chaussee Ecke Rufacher Weg in 12439 Berlin-Buckow

Berlin 17. September 2018 – Changing Cities e.V., FUSS e.V. und VCD Nordost rufen zur Mahnwache zum Gedenken an eine 78-jährige Fußgängerin, die in Buckow von einem Lkw gerammt wurde und nun an ihren Verletzungen gestorben ist. Die Mahnwache findet an der Unfallstelle statt. Die Organisatoren sprechen den Angehörigen des Getöteten ihr tiefes Mitgefühl aus.

Der Todesfall zeigt, wie gefährdet Fußgänger auch bei grüner Ampel sind: Die Frau wollte am 5.9. an der Ampel die sechsspurige Straße überqueren; zugleich bog ein Lastwagenfahrer aus der Querstraße Rufacher Weg auf die Marienfelder Chaussee ein. Der Fahrer hatte nach eigener Aussage grün; die Frau wahrscheinlich aber auch. „Viele Berliner Ampelkreuzungen sind tödliche Fallen, die dringend entschärft werden müssen! Das Berliner Mobilitätsgesetz schreibt das vor!“, fordern Changing Cities/FUSS/VCD. Drei Wochen zuvor war eine 23-jährige Fußgängerin ebenfalls bei einem nahezu identischen Unfall in Schöneberg auch von einem abbiegenden Lkw getötet worden.

„Lkws haben in der Stadt nichts zu suchen, wenn sie nicht mit einem Abbiegeassistenten ausgerüstet sind! London geht vor – dort dürfen gefährliche Lkws ab 2020 nicht in die Stadt hineinfahren. Wie viele Berliner müssen sterben, bis die Politik endlich reagiert?“, fragt Stefan Gammelien vom Changing Cities e.V.

Die Unfälle treten gehäuft an Kreuzungen auf. Erst am 10. September waren solche Orte Thema im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Der Vertreter des FUSS e.V., Roland Stimpel, hatte darauf hingewiesen, dass etwa die Hälfte aller Fußgängerunfälle an Kreuzungen geschehen, und gefordert: „Die Verkehrsströme der Fußgänger und der Fahrzeuge müssen dringend entzerrt werden.“ Im Jahr 2017 hatte die Polizei für 488 Unfälle die Ursache „falsches Verhalten von Fahrern an Fußgängerfurten“ festgestellt; bei diesen Unfällen hatten die Fußgänger Grün. 189 Unfälle gab es im gleichen Zeitraum, weil Fußgänger bei Rot gegangen waren. Stimpel: „Wenn mehr als doppelt so viele Fußgänger bei Grün verunglücken wie bei Rot, dann zeigt das schwere Fehler im System.“ Der FUSS e.V. verweist auf die renommierte Unfallforschung der Versicherer (UDV). Sie fordert in ihrer Studie „Sicherer Fußgängerverkehr“ „stets eigene Signalphasen für Linksabbieger“. An unübersichtlichen Kreuzungen „sollten auch Rechtsabbieger gesonderte Ampelphasen bekommen“.

In nur drei Wochen sind drei Frauen an scheinbar gesicherten Überwegen ums Leben gekommen. Die Dritte ist eine 91-jährige Rollstuhlfahrerin, die auf einem Zebrastreifen der Fürstenwalder Allee in Berlin-Rahnsdorf von einem Auto gerammt wurde und am 20. August starb. Für sie ist eine Mahnwache im Oktober geplant. „Die tödlichen Unfällen zeigen erneut, dass wir im Straßenverkehr gerade die Schwächsten schützen müssen: Ältere, Kinder und Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. In der Planung öffentlicher Straßenräume müssen wir endlich abkommen vom Kfz-Verkehr als Maß aller Dinge, hin zu mehr Sicherheit und Aufenthaltsqualität für alle. Die „Vision Zero“, also keine Toten mehr im Straßenverkehr, ist im Berliner Mobilitätsgesetz festgeschrieben und muss nun auch als oberstes Ziel aller Planungen konsequent umgesetzt werden“, sagt Heiner von Marschall, Landesvorsitzender des VCD Nordost.

Weiterführende Links:
Polizeimeldung vom 14. 9.2018
Studie „Sicherer Fußgängerverkehr“ von der Unfallforschung der Versicherer
Das Berliner Mobilitätsgesetz mit Begründungen
Informationen zu Changing Cities e.V.
Informationen zum Volksentscheid Fahrrad
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Ansprechpartnerin für die Presse im Team Changing Cities e.V./ Volksentscheid Fahrrad:
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Ansprechpartner für VCD Nordost:
Heiner von Marschall, heiner.v.marschall@vcd-nordost.de, 0174 465 6523

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Über Changing Cities e.V.: Changing Cities e.V. ist am 23. Mai 2017 aus Netzwerk Lebenswerte Stadt e.V. umbenannt worden. Das bislang größte Projekt des Vereins ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürgerinitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.

Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Viele Verbände, Unternehmen und Wissenschaftler*innen unterstützten das Anliegen, das Radverkehrsgesetz (RadG) schnell in Kraft zu setzen. Ziel ist, dass wir Berlinerinnen und Berliner sicher und entspannt radfahren können; dafür hat die Initiative das Berliner Radverkehrsgesetz (RadG) erarbeitet. Nur mit dem RadG kann der Senat dauerhaft verpflichtet werden, schnell und aktiv eine gute Radinfrastruktur zu schaffen. Der 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benennt konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad ist Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berlinern unterschrieben – 7% der Wählerstimmen. Die neue Koalition hat zugesagt, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen, ein Mobilitätsgesetz auf Basis des RadGesetzes bis Frühjahr 2017 in Kraft zu setzen und ab 2018 jährlich mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege zu investieren. Über 100 aktive Mitstreiter*innen organisieren sich selbst durch Online-Projekttools und durch schnelle, handlungsorientierte Entscheidungsfindung.