Berlin, 17. 05. 2018 – Wie heute bekannt wurde, möchte die Berliner SPD dem Mobilitätsgesetz ein „Autogesetz“ zur Seite stellen. Changing Cities, der Verein hinter dem Volksentscheid Fahrrad, kritisiert taktische Spielchen zu Lasten von Verkehrssicherheit und Lebensqualität in der Stadt.
Die Berliner SPD-Fraktion stellt das Gesamtvorhaben des Mobilitätsgesetzes in Frage und fordert laut einem Bericht der Berliner Morgenpost ein ergänzendes Kapitel über Autoverkehr. Die Erstellung des Mobilitätsgesetzes läuft seit März 2017 unter der Beteiligung von Changing Cities, weiteren Verbänden und der Senatskanzlei. Auch Vertreter der SPD-Fraktion waren durchgehend in den Prozess eingebunden. Das Gesetz enthält neben einem allgemeinen Teil Kapitel zu Radverkehr und dem Bus- und Bahnverkehr. Kapitel zu Fußverkehr, intelligenter Mobilität und Wirtschaftsverkehr sind in der Bearbeitung. Die Verabschiedung des Gesetzes war ursprünglich für das Frühjahr 2017 geplant. Entsprechend hart fällt das Urteil der Aktivisten aus: „Solche Manöver schaden nicht nur der Zukunftsfähigkeit der Stadt – sie schaden auch dem Vertrauen in politische Prozesse“, resümiert Ragnhild Soerensen von Changing Cities e.V. „Seit mehr als einem Jahr ist die Struktur des Gesetzes bekannt. Es wurde 15 Monate lang zugesehen, wie ein Haus gebaut wird, nur um kurz vor dem Richtfest das Fundament zu kritisieren.“
Das Gesetz war nach einem ausführlichen Beteiligungsprozess als Vorlage des gesamten Senats und des regierenden Bürgermeisters Michael Müller ins Abgeordnetenhaus eingebracht worden.
„Es liegt nun an den Koalitionspartnern Grüne und Linke, klar Stellung zu beziehen und sich deutlich zu dem neuen SPD-Vorschlag zu positionieren. Die Erstellung des Mobilitätsgesetzes hat gezeigt, dass die Beteiligung der Stadtgesellschaft an politischen Prozessen erfolgreich umgesetzt werden kann. Bündnis 90/Die Grünen und die Linkspartei müssen nun ein Zeichen setzen, dass sie sich weiter als zuverlässige Partner der Zivilgesellschaft verstehen“ sagt Peter Feldkamp, Vorstand von Changing Cities.
Inhaltlich bleibt unklar, was die SPD unter der Überschrift „Autogesetz“ versteht. Die Straßenverkehrsordnung und das Berliner Straßengesetz sowie bundesweite Vorschriften regeln diesen Themenbereich abschließend. Fraglich ist, ob die SPD nun mit einem Autogesetz nach dem Vorbild internationaler Metropolen klare Reduktionsziele für den motorisierten Verkehr, Jahresziele für die Umwidmung von Parkflächen oder ein klares Vorgehen gegen Pkw mit giftigen Abgasen anstrebt – oder ob sie den motorisierten Verkehr weiter fördern will.
Ansprechpartner für die Presse im Team von Changing Cities e.V.:
Peter Feldkamp, peter.feldkamp@changing-cities.org, 0176 2345 7014
Weiterführende Links:
Radgesetz der Initiative Volksentscheid Fahrrad Berlin, Referentenentwurf und Stellungnahme zum Mobilitätsgesetz von Changing Cities e.V.
Bericht der Berliner Morgenpost vom 17.05.2018
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Über Changing Cities e.V.: Changing Cities e.V. ist am 23. Mai 2017 aus Netzwerk Lebenswerte Stadt e.V. umbenannt worden. Das bislang größte Projekt des Vereins ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürgerinitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.
Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Viele Verbände, Unternehmen und Wissenschaftler*innen unterstützten das Anliegen, das Radverkehrsgesetz (RadG) schnell in Kraft zu setzen. Ziel ist, dass wir Berlinerinnen und Berliner sicher und entspannt radfahren können; dafür hat die Initiative das Berliner RadG erarbeitet. Nur mit dem RadG kann der Senat dauerhaft verpflichtet werden, schnell und aktiv eine gute Radinfrastruktur zu schaffen. Der 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benennt konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad ist Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berlinern unterschrieben – sieben Prozent der Wählerstimmen. Die neue Koalition hatte zugesagt, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen, ein Mobilitätsgesetz auf Basis des RadGs bis Frühjahr 2017 in Kraft zu setzen und ab 2018 jährlich mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege zu investieren. Über 100 aktive Mitstreiter*innen organisieren sich selbst durch Online-Projekttools und durch schnelle, handlungsorientierte Entscheidungsfindung.