Die Reaktion der Senatsverwaltung auf unsere Meldung kam prompt: „Von den derzeit in Planung befindlichen Großprojekten der Radschnellverbindungen (RSV) soll die RSV 3 (Kronprinzessinnenweg) hochpriorisiert“ werden. Im Klartext: Die neun weiteren werden depriorisiert. Selten haben Changing Cities und die Berliner Senatsverwaltung die Lage so ähnlich eingeschätzt.
Alle weiteren Planungen für Radschnellverbindungen werden vorerst eingestellt – ausgenommen ist die Ost-West-Route, deren Ostteil bis zur Fertigstellung des Planungsfeststellungsverfahrens finanziert werden soll. Danach wird sie voraussichtlich auch „priorisiert“. Petra Nelken, die Pressesprecherin der Senatsverwaltung, erklärt in Radio Eins, man wäre bei den neun weiteren RSV einfach noch nicht zum Planfeststellungsverfahren gekommen. Das stimmt, denn die zur Verfügung gestellten 50 Millionen Euro können diesen Planungsaufwand nicht finanzieren. Im Klartext heißt das Planungsstopp!
„Wir haben einen Senat, der nicht versteht, dass jeder Mensch, der das Auto stehen lässt und aufs Fahrrad umsteigt, eine Bereicherung für den Kfz-Verkehr ist und für all jene, die wirklich auf das Auto angewiesen sind. Dasselbe gilt für den ÖPNV, der durch mehr Radfahrende entlastet wird. Die Berliner Radschnellverbindungen sind das Herzstück des Radnetzes und wurden genau mit dem Ziel konzipiert, die Autostraßen zu entlasten. Während die TVO, die A100 und der Schlangenbader Tunnel mehr Autoverkehr erzeugen, sorgen Radwege für mehr Platz für den Lieferverkehr, für Pflegedienste und Handwerker*innen. Die barrierefreien Radschnellverbindungen stellen u. a. eine entscheidende Klimaanpassung für die Stadt dar: Das Ziel ist Mobilität für alle. Für alle, die es vergessen haben: Die Radschnellverbindungen wurden gemeinsam mit den Berliner Wirtschaftsverbänden beschlossen. Und mit der SPD. Können das die Sozialdemokraten bitte der CDU erklären?”, fragt Ragnhild Sørensen von Changing Cities.
„Vernünftig sparen“ ist die Begründung der Senatsverwaltung für ihren zweiten Radwegestopp. Vernunft sucht man jedoch vergeblich, wenn der Senat dringend nötige Modernisierungsmaßnahmen für das Verkehrssystem unserer wachsenden Großstadt verweigert und dabei jegliche verkehrsplanerische Expertise vermissen lässt. Investitionen in zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur – vor allem für die Außenbezirke! – hinauszuschieben, kostet uns, die Steuerzahler*innen, langfristig Unsummen!
Stattdessen schlägt Changing Cities Folgendes vor:
1) Eine Radschnellverbindung ist die dringend notwendige Sanierung bestehender Straßen für den zukünftigen Verkehr. Vor allem der Autoverkehr profitiert langfristig davon. Jeder Mensch, der zukünftig auf das Rad umsteigt, bedeutet ein Auto weniger auf der Straße. So wird mehr Platz für all diejenigen geschaffen, die wirklich auf ihr Auto angewiesen sind.
2) Jeden Tag werden Asphaltdecken in Berlin teuer saniert, der Straßenraum jedoch wird nicht verändert und auf die Zukunft ausgerichtet. Statt sich über eine zukünftige Stadt Gedanken zu machen, werden hier Millionen Euro für überholte, weil klimaschädliche Strukturen verbaut. Es wird suggeriert: Alles bleibt beim Alten, Ihr müsst nichts ändern. Dabei wissen alle: Den jetzigen Autostau zu zementieren, ist nicht nur keine Lösung – er wird uns alle teuer zu stehen kommen.
3) Unsere pragmatische Lösung ist, die Straßen aller Radschnellverbindungen zügig zu sanieren und umzubauen. So erreicht Berlin effiziente Straßen für alle durch attraktive Radinfrastruktur!
„Wir befinden uns im Jahr zwei des SPD-CDU-Senats: Letzten Sommer wurden Radwege „priorisiert“, was dazu führte, dass viele davon trotz Planung bis heute nicht gebaut wurden. Jetzt sind die Radschnellverbindungen dran.
Auffällig ist, dass es bisher keinerlei „Priorisierungen beim Straßenbau gab: Wurde die TVO nochmal überprüft? Oder der Schlangenbader Tunnel? Die Mühlendammbrücke? In nahezu Orwellscher Bedeutungsumkehr bedeutet „priorisieren“ heute nicht mehr „vorziehen“ oder „bevorzugen“, sondern ausbremsen und stoppen. Was Berlin braucht, sind vernünftige, langfristige Lösungen, keine rhetorischen Purzelbäume“, sagt Sørensen und fragt: „Müssen wir jetzt wieder 13.000 Berlinerinnen und Berliner aus dem Urlaub holen und zur Großdemonstration einladen?“
Pressekontakt:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, +49 171 535 77 34
Weiterführende Links:
Bericht im RadioEins vom 31.07.2024
Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.