Die Redezeit ist abgelaufen

Das Berliner Mobilitätsgesetz wird vier Jahre alt

Vier Jahre nach Verabschiedung des Berliner Mobilitätsgesetzes zieht Changing Cities Bilanz: Ein Drittel der Zeit bis zur finalen Umsetzung hat die Senatsverwaltung weitgehend ergebnislos verstreichen lassen. Es bleiben also nur noch acht Jahre für die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Dies ist aber weder im Finanziellen noch im Strukturellen der Senatsverwaltung durchgedrungen. Die Verkehrswende ist in Berlin noch nicht angekommen.

Während Brandenburg austrocknet, weltweit Rekordhitze zu verzeichnen ist und die Regionalzüge dem Andrang der Passagiere kaum gerecht werden, verabschiedet das Berliner Abgeordnetenhaus einen Doppelhaushalt, der den Zielen des Mobilitätsgesetzes nicht genügt. Das Abgeordnetenhaus hat den Haushalt für den Radverkehr leicht erhöht und versucht sich damit pro Forma an der Korrektur. Unter dem Strich bleibt aber klar: Die Landespolitik hat die Zeichen der Zeit und die Größe der Aufgabe noch immer nicht verstanden. Verkehrswende ist bereits Klimafolgenanpassung, eine Vernachlässigung der Ziele bedeutet steigende Risiken und massive Kosten.

Die aktuelle Koalitionsvereinbarung in Berlin sieht immerhin die Umsetzung geltenden Rechts beim Radwegebau vor. Die benötigten Mittel dafür werden aber in diesem und dem kommenden Jahr um viele Millionen Euro unterschritten. Die dringend benötigten Planer*innenstellen werden nicht geschaffen, so dass absehbar auch in den folgenden Jahren nicht im erforderlichen Maß gebaut werden kann. 

Ein Beispiel: Das Vorrangnetz, dessen Länge laut Radverkehrsplan 850 km beträgt, muss – auch laut Radverkehrsplan – bis 2027 fertiggestellt sein. Geschätztes Budget: 670 Mio Euro. Vorgesehen ist, dass jeweils 40 und 60 km in 2022 und 2023 gebaut werden; dies wird in etwa 80 Mio. Euro kosten. Im Haushalt sind aber nur etwa 60 Mio. Euro – für sämtliche Radverkehrsmaßnahmen! – vorgesehen. Hinzu kommt, dass die Plan- und Baukapazitäten in den Folgejahren laut Radverkehrsplan enorm steigen müssen: 100 km (2024), 150 km (2025) und 250 km (jeweils 2026 und 2027). Um dies zu realisieren, bräuchte es heute Vorplanungen im großen Stil. Diese sind aber gar nicht im Haushalt eingeplant. Ebenso ist kein Geld für die Planung des Ergänzungsnetzes (Baubeginn 2025), die Planung und Bauausführung der Radschnellverbindungen, für Fahrradparkhäuser, Fahrradbügel und alle sonstigen Maßnahmen des Mobilitätsgesetzes.

Statt beherzt anzugehen, was in den vergangenen Jahren liegen geblieben ist, wird weiter mit Kleingeld gekleckert und das wenige Personal allein gelassen.

Denis Petri, Changing Cities

„Die Senatorin hat einen Haushalt vorgelegt, der weder mit dem Mobilitätsgesetz noch mit dem Koalitionsvertrag zu vereinbaren ist. Statt beherzt anzugehen, was in den vergangenen Jahren liegen geblieben ist, wird weiter mit Kleingeld gekleckert und das wenige Personal allein gelassen. Statt die strukturellen Problem endlich einer Lösung zuzuführen, wird weiter gewurschtelt. Frau Jarasch sendet damit ein verheerendes Signal: Radverkehr bleibt Gedöns!“, so Denis Petri von Changing Cities.

Ein Lichtblick der parlamentarischen Beratungen des Haushalts ist die Bereitstellung von 30 Millionen Euro für die Bezirke durch das Abgeordnetenhaus. Sie sind für Entsiegelung, Verkehrswendemaßnahmen und Klimakrisennpassung angesetzt, also letztlich für die Gestaltung von Kiezblocks, die der Senat nicht vorgesehen hatte. Der Verein Changing Cities wertet dies als Erfolg  seiner Ende 2019 angestoßenen Kiezblocks-Kampagne, die inzwischen fast 60 lokale Kiezblock-Initiativen in Berlin vernetzt.

Ansprechpartnerin Changing Cities e.V.:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, +49 171 535 77 34

Weiterführende Links:
PM der SenUMVK vom 24. Juni 2022
Aufzeichnung der Präsentation (YouTube)
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Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.