Statt Lösungen zu suchen, polarisiert CDU: Der zuständige Bezirksstadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf, Christoph Brzezinski (CDU), droht, die Nutzung von Wohnungen ab dem dritten Stockwerk in dem östlichen Teil der Kantstraße zu untersagen, da die Feuerwehr diese angeblich nicht mehr erreicht. Das Phänomen ist berlinweit bekannt: Überall erschweren parkende Autos die Arbeit der Feuerwehr – so auch in der Kantstraße. Der Bezirk weigert sich aber, die Parkplätze in Lieferzonen umzuwandeln, wie es bereits erfolgreich am Tempelhofer Damm, am Kottbusser Damm, in der Müllerstraße und in der Hauptstraße in Schöneberg gemacht wurde.
Das Problem ist komplex: Hauseigentümer*innen sind gesetzlich verpflichtet, einen zweiten Fluchtweg, z. B. eine zweite Treppe, anzubieten oder das erste Treppenhaus zu einem Sicherheitstreppenhaus aufzurüsten. Um den Eigentümer*innen diese Kosten zu ersparen, argumentiert der Senat seit Ewigkeiten, dass die Feuerwehr ja „anleitern“ kann. Diese Zwischenlösung ist die seit 100 Jahren gängige Lösung, die nur nach und nach durch Bäume, Laternen und parkende Autos versperrt wurde. Heute ist das Anleitern in den zugeparkten Berliner Straßen deswegen schwierig – für Hinterhaus und Quergebäude sogar unmöglich. Würde Brzezinski seine Drohung selbst ernst meinen, müsste die Nutzung von allen Wohnungen ab dem dritten Stockwerk im Vorderhaus und von allen Wohnungen im Hinterhof untersagt werden. Das fordert der CDU-Stadtrat aber nicht.
Er hätte auch eine weitere Lösung vorschlagen können: Wenn die Anwohnenden auf den Stellplatz vor dem Haus verzichten, könnten sie weiter die Wohnung nutzen. Das müsste wiederum der Senat anordnen – aber dagegen sperrt sich seine Parteikollegin, Senatorin Bonde (CDU).
Dabei wurden genau diese Lieferzonen auf den vier großen Hauptverkehrsachsen Tempelhofer Damm, Kottbusser Damm und in der Hauptstraße in Schöneberg umgesetzt. Falls die Feuerwehr den Bereich nutzen muss, kann dieser schnell geräumt werden.
Da weder Bezirk noch Senat diese naheliegende Lösung auch nur erwägen, das Problem aber aus Sicherheitsgründen dringend gelöst werden muss, erzeugt man – so lehrt es der Populismus – ein Feindbild: der Pop-up-Radweg. Die Medien haben immer noch nicht dazu gelernt und verbreiten unkritisch den Aufreger.
Rein rechtlich muss die Feuerwehr nicht mit einbezogen werden, wenn Pop-up-Radwege gebaut werden. „Glücklicherweise sprechen die Senatsverwaltung und die Bezirksämter aber mit uns“, sagte der Sprecher der Berliner Feuerwehr, Thomas Kirstein, 2020 dem Tagesspiegel.
Es gibt bewährte, leicht umsetzbare Lösungen – aber die CDU droht lieber Mieter*innen aus ihren Wohnungen zu schmeißen, als Kfz-Stellplätze abzubauen.
Pressekontakt:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, +49 171 535 77 34
Weiterführende Links:
Artikel aus dem Tagesspiegel vom 08.09.2020
Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.