Gleich zwei Brückenneubauten sorgen in Berlin für Rückschritte bei der Verkehrswende. Der Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke in Charlottenburg-Wilmersdorf soll in Zukunft mehr Autos fassen, aber für einen Radweg sieht die Senatsverwaltung keinen Bedarf. Der Neubau der Mühlendammbrücke in Mitte soll entgegen der fachlichen Expertise des Bezirksstadtrats, gegen einen Beschluss der BVV Mitte und gegen die Forderungen einer Reihe von Initiativen die Form einer mehrspurigen innerstädtischen Autobahn behalten. Changing Cities fordert Korrekturen bei den Planungen und die konsequente Ausrichtung aller Berliner Brücken auf die Erfordernisse des Umweltverbunds.
Brücken sind aufgrund ihrer Kanalisierungsfunktion Schlüsselbauten für die Verkehrswende. Jüngsten Presseberichten zufolge lehnt Senatorin Günther es ab, am Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke einen unten angehängten Radweg zu bauen. Sie argumentiert, es bestehe kein Bedarf und andere Strecken seien besser geeignet. Die derzeit noch in der Hoheit Berlins angesiedelte Planung sieht also große Umwege für den Radverkehr vor und sorgt mit dem zusätzlichen Fahrstreifen für noch mehr Kfz-Verkehr, der sich in den an die Autobahnen angrenzenden Stadtgebiete niederschlagen wird. Dies widerspricht den gesetzlich verankerten Zielen, den Vorrang für den Umweltverbund zu gewährleisten.
„Die Planungen zeigen einmal mehr, dass selbst die Senatsverwaltung noch immer in autozentrierten Denkmustern gefangen ist. Vom ausgeschiedenen Staatssekretär Holger Kirchner wurde die Integration der Radverbindung vor zwei Jahren zugesagt, warum ist er unter der Führung von Staatssekretär Ingmar Streese in der Planung entfallen? Die Idee, dass auch Radfahrende an direkten und schnellen Verbindungen interessiert sein könnten, ist in der Senatsverwaltung offensichtlich inzwischen zweitrangig“, argumentiert Ragnhild Sørensen von Changing Cities.
Die Mühlendammbrücke in Mitte ist durch – nach Aussage der Expert*innen des Senats – die intensive Nutzung durch Kraftfahrzeuge in Kombination mit den unter anderem durch den Klimawandel verursachten, andauernd hohen Temperaturen stark beschädigt. Sie muss deswegen neu gebaut werden. Eine Allianz unterschiedlicher Initiativen in Mitte appellierte mehrfach an Senatorin Günther, beim Neubau die Chance zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung im Bereich der Brücke wahrzunehmen. Die Mühlendammbrücke ist nicht nur der historische Gründungsort Berlins, sondern bildet auch eine Schlüsselstelle, um die Öffnung weiter Teile des Bezirks Mitte für mehr Fuß- und Radverkehr zu ermöglichen. Die in den nun bekannt gewordenen Plänen vorgesehenen vier Fahrstreifen für den Autoverkehr stehen diesem verkehrspolitischen Ziel diametral entgegen. Radfahrende sollen sich weiter einen Fahrstreifen je Richtung mit Bus und Taxis teilen.
„Schon vor einem Jahr demonstrierte Changing Cities gegen die Planungen für die Mühlendammbrücke, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen. Dinosaurier forderten eine Riesenbrücke für Autos, um dem Senat die Absurdität und Rückschrittlichkeit ihres Vorhabens vor Augen zu halten“, erinnert sich Dr.-Ing. Stefan Lehmkühler von Changing Cities.
An den Berliner Brücken entscheidet sich die nachhaltige Umgestaltung der Stadt zur Bekämpfung der Klimakatastrophe und ihrer Auswirkungen. Bereits in der Vergangenheit wurden zu viele Brücken nach überholten verkehrlichen Standards gebaut. Ein prominentes Beispiel ist die Kynastbrücke, der bereits 2017 die rote Warnweste für die fahrradfeindlichste Infrastruktur Berlins verliehen wurde. Die Planung von Fahrstreifen für Autos sorgt dafür, dass es zu unangemessenen Mehrkosten beim Bau der aufwändigen Konstruktionen kommt, während gleichzeitig die Kapazität der Brücke für den Transport von Menschen und Gütern sinkt.
„Wir verbauen unangemessen viel Geld für Infrastrukturen, die wir zum Zeitpunkt der Fertigstellung gar nicht mehr brauchen dürfen. Es ist daher zweifelhaft, ob Frau Günther, ob der gesamte Senat wirklich an der nachhaltigen Umgestaltung der Stadt interessiert sind oder ob auch unter Rot-Rot-Grün in Berlin Klimaschutz und nachhaltige Stadtentwicklung Sonntagsreden bleiben. Die Brücken sind entscheidend und hier muss jetzt sofort die Ausschreibung gestoppt und umgeplant werden, wenn die Verkehrswende nicht ein Lippenbekenntnis bleiben soll“, so Denis Petri vom Vorstand von Changing Cities.
Ansprechpartnerin Changing Cities e.V.:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, 0171 535 77 34
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Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.