Der Streit um den Neubau von 165 Parkplätzen in der Karl-Marx-Allee droht das eigentliche Problem zu verdecken: Wieso wurden überhaupt Parkplätze beim Umbau der Karl-Marx-Allee mitgeplant? Das Bündnis ‘Berliner Straßen für Alle’ fordert den Abbau aller Kfz-Parkplätze in der KMA – sowohl an der Seite, als auch auf dem Mittelstreifen. Nur so würden glaubhaft die drohenden Probleme des Verkehrskollapses, der Klimakrise und der Verkehrssicherheit angegangen.
Alle diskutieren über den Grünstreifen auf dem Mittelstreifen der Karl-Marx-Allee; am 10. Februar lädt der Senat wieder zum Bürgerdialog ein. Doch die Vermeidung von 165 Parkplätzen nimmt weder die Probleme der Verkehrssicherheit noch den stadtweiten Bedarf an Klimaanpassung ernst.
„Wer Parkplätze bereitstellt, signalisiert den Bürger*innen: Ihr könnt ruhig weiterhin Autos kaufen und fahren,“ sagt Ragnhild Sørensen von Changing Cities. „Für die Berliner Bürgerinnen und Bürger sieht die Realität so aus: Der motorisierte Individualverkehr hat schon im ersten Monat dieses Jahres zehn Menschenleben gekostet. Es ist absolut unverantwortlich zu signalisieren, dass wir dieses tödliche Verkehrssystems erhalten wollen. Aber genau das wird getan, wenn wir mitten in der Stadt Parkplätze anlegen.“
„Die Sommer werden immer wärmer, die Stadt ist eine Hitzeinsel, die Klimakrise ist auch in Berlin schon da. Wir brauchen Grünflächen und Platz für die Verkehrswende. Diesen Platz gewinnen wir für die Allgemeinheit zurück, wenn wir die Lagerplätze für Privat-PKW auf öffentlichem Grund Zug um Zug umwandeln. Ein kleiner Beitrag dazu wäre, alle Parkplätze auf der KMA für sinnvollere Nutzungen freizugeben“, ergänzt Peter Fuchs von PowerShift.
Hinter den Wohnhäusern in der Karl-Marx-Allee ist bereits eine ausreichende Anzahl an Autoabstellplätzen für die Anwohner*innen vorhanden. Der Bahnhof am Alexanderplatz mit S-Bahn und Fernverkehr, die U-Bahn und geschützte Radwege entlang der Straße bieten sogar weit effizientere Mobilitätsangebote als der eigene Pkw.
„Berliner*innen müssen laut allgemeiner Planung innerhalb von 3-400 Meter (Luftlinie!) ein ÖPNV-Angebot finden. Dieselben Planungsgrundlagen sollten auch für Kfz-Fahrer*innen zugrunde gelegt werden. Es gibt keinen Anspruch auf einen Parkplatz vor der Haustür. Wir brauchen eine gerechtere Verkehrspolitik“, sagt Frank Masurat (Vorstand ADFC Berlin).
Seit die Planung für die Karl-Marx-Allee entstanden ist, hat sich vieles im Bereich Verkehr und Klima verändert. Konkret gab es für die Karl-Marx-Allee 2014 und 2016 lokale Beteiligungsverfahren, die aber beide keine eindeutige Richtung aufwiesen: Manche waren für, andere gegen die Parkplätze. Grundlage des Berliner Mobilitätsgesetz, das im Juni 2018 verabschiedet wurde, war die Partizipation von über 100.000 Bürger*innen, die eine Verkehrswende weg von der Autodominanz forderten. Das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) wurde auf der Basis wissenschaftlicher Empfehlungen unter breiter Öffentlichkeitsbeteiligung erarbeitet und im Januar 2018 vom Abgeordnetenhaus beschlossen. Hier werden nicht nur Vorbeugungsmaßnahme gegen die Erderwärmung festgehalten, sondern auch die Wichtigkeit von Anpassungsmaßnahmen betont.
„Zu Zeiten der Klimanotlage müssen alle Aspekte sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.In diesem Fall sieht man eindeutig, dass Parkplätze keine zielführende Lösung sind. Wenn ein Haus brennt, holt man ja auch nichts als erstes frisches Brennmaterial!“ argumentiert Dr.-Ing. Stefan Lehmkühler von Changing Cities e.V.
Ansprechpartner*innen:
Peter Fuchs, Peter.Fuchs@power-shift.de, 0177 633 4900
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, 0171 535 77 34
Weiterführende Links:
Einladung zum Bürgerdialog am 10.02.2020
Informationen zu Baumaßnahmen vom 05.12.2019
Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 (BEK 2030)
Wissenschaftler über Beteiligungsprozesse und Parkplätze auf der KMA
Das Berliner Mobilitätsgesetz (mit Begründungen)
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