Sieben Monate brauchte der Bundestag, um die abgelehnte Reform des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) wieder ins Spiel zu bringen. Der Bundestag wollte den Vermittlungsausschuss nicht anrufen, Verkehrsminister Wissing sowieso nicht. Angeblich nur durch ein Machtwort des Kanzlers gibt es jetzt eine Einigung, und der Bundesrat stimmte heute der Reform zu. Die Chancen auf eine nachhaltige, sozial gerechte Verkehrswende sind damit immens gestiegen.
Ein entscheidendes Hindernis steht jedoch immer noch aus: Die StVO-Entscheidung am 5. Juli. Erst wenn diese untergeordnete Rechtsverordnung reformiert wird, stehen den Kommunen die erforderlichen Werkzeuge zur Verfügung, um die Verkehrswende endlich anzugehen.
Was bedeutet die Reform des StVG? Sie rückt Verkehrssicherheit und Klimaschutz in den Vordergrund. So sind zukünftig Klima- und Umweltschutz, Gesundheit und die städtebauliche Entwicklung Ziele der Verkehrsplanung – und somit wird die Leichtigkeit und die Sicherheit des Verkehrs endlich getrennt. Denn besonders die Verkehrssicherheit darf zukünftig nicht beeinträchtigt werden.
Wenn dann die StVO, mit der die Kommunen letztendlich arbeiten, dementsprechend auch reformiert wird, erhalten die Kommunen endlich erhöhte Befugnisse und können so lokal entscheiden, wie sie den Straßenraum aufteilen – wenn sie den öffentlichen Verkehr mit Bussen organisieren wollen, können sie Busspuren einrichten und müssen nicht in langwierigen Verfahren begründen, warum dem Kfz-Verkehr Fläche genommen werden soll. Auch der Fuß- und Radverkehr werden davon immens profitieren, denn Radwege müssen nicht umständlich durch eine sog. Gefahrenlage begründet werden, sondern können zukünftig aus Gründen des Klimaschutzes angelegt werden.
„Die Reform des StVG ist ein Kompromiss – viel mehr ist tatsächlich erforderlich, um Klimaneutralität 2045 zu erreichen. Aber auch dieser etwas zögerliche Schritt ist eine gefühlte Mondlandung im Verkehrssektor: Wenn Bundestag und Bundesrat dieser überfälligen Einigung zustimmen, können tausende Kommunen endlich handeln und Tempo 30 einrichten. Bürger*innen in Kiez- und Superblocks-Initiativen zur Verkehrsberuhigung in Wohnvierteln warten darauf, dass der öffentliche Raum verkehrssicher und klimaresilient umgebaut wird. All das wird durch die Reform ermöglicht“, sagt Katharina Schlüter, Geschäftsführerin von Changing Cities.
Ohne die Reform ist die Umstellung auf einen klimaneutralen Verkehr bis 2045 illusorisch. Sie ermöglicht erste Maßnahmen für eine nachhaltige Mobilität: Fuß-, Rad- und öffentlicher Nah- und Fernverkehr werden erstmal ernst- und nicht bloß als Alternativen zum Kfz-Verkehr wahrgenommen. Changing Cities weist jedoch darauf hin, dass klimaneutraler Verkehr und Mobilitätsgerechtigkeit alleine durch diese Reform nicht erreichbar sind.
„Die StVG-Reform ist absolut und dringend erforderlich. Um CO2-Neutralität und die Biodiversität wiederherzustellen, stehen wir aber vor viel größeren Herausforderungen als z. B. mehr Rad- statt Autofahrten. Da müssen wir ehrlich sein: Die Klimaneutralität, zu der sich alle demokratische Parteien bekennen, bedeutet, dass wir unseren Lebensstil in Teilen verändern müssen. Der Prozess ist nicht leicht, aber wir können ihn heute noch entscheidend mitgestalten – auch zum Besseren“, kommentiert Ragnhild Sørensen.
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Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, +49 171 535 77 34
Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.