Berlin 12. Oktober 2018 – Von 5.600 km Straße in Berlin sollen 1.000 km vorrangig für den Radverkehr genutzt werden. Changing Cities und weitere Organisationen stellen ein Radverkehrsnetz vor, das vorhandene Verkehrsplanungen der Bezirke integriert und miteinander verknüpft.
Das Berliner Mobilitätsgesetz sieht vor, bis Juli 2019 ein stadtweites Radverkehrsnetz aus sicheren und bequemen Verbindungen zu schaffen. Ehrenamtliche aus allen Bezirken Berlins (mit Ausnahme von Spandau, wo sich keine Ehrenamtlichen gefunden haben) von Changing Cities, ADFC Berlin, BUND und VCD Nordost haben ein solches nun gemeinsam erarbeitet und werden den Entwurf an jenes Planungsbüro überreichen, welches nach Abschluss der Ausschreibung mit der Aufgabe betreut wird.
„Wir möchten mit unserem Planungswissen und Erfahrung im Bereich Mobilität einen zivilgesellschaftlichen Beitrag zur Verbesserung des Radverkehrs leisten. Unser Wunsch ist natürlich, dass wir so den Prozess beschleunigen, damit im Juli 2019 ein fertiger Entwurf für ein Radverkehrsnetz vorliegt. Um die Attraktivität des Radfahrens zu steigern, muss die Infrastruktur grundlegend für Radfahrende verbessert werden, und zwar stadtweit!”, sagt Jens Steckel, ein Mitplaner aus dem Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg.
Das Radnetz verknüpft Radwege, bezirksübergreifende Fahrten sollen so durchgängig und flüssig stattfinden können. Für Pendler wird der komfortable Anschluss and die Innenstadt gewährleistet, und lokale Fahrten auf Hauptstraßen, wo der motorisierte Individualverkehr nach wie vor Vorrang hat, sollen durch sichere Fahrradwege attraktiver gestaltet werden. „Ein so umfassendes Radverkehrsnetz wird natürlich Eingriffe und Begrenzungen des motorisierten Verkehrs nach sich ziehen. Parkplätze werden wegfallen, Einbahnstraßen zunehmend entstehen, Tempo gedrosselt werden. Nichtsdestotrotz reden wir hier von nicht mal 18% aller Berliner Straßen. Auf den restlichen 82% hat der motorisierte Verkehr immer noch Vorrang. Und das obwohl nur 33% aller Wege in Berlin mit dem Auto zurückgelegt werden”, kommentiert Ragnhild Sørensen von Changing Cities.
Der Entwurf liegt digital auf Basis des Kartenmaterials von OpenStreetMap vor.
Das Radverkehrsnetz besteht aus den folgenden Netzelementen:
- Radschnellverbindungen nach § 45 MobG: Dies sind Verbindungen, die wichtige Quell- und Zielbereiche mit hohen Potentialen über größere Entfernungen verknüpfen und durchgängig ein sicheres und attraktives Befahren auch mit hohen Reisegeschwindigkeiten ermöglichen. Die Mindestlänge einer Verbindung soll 5 km betragen. Radschnellverbindungen sollen bevorzugt auf eigenständigen Sonderwegen, getrennt vom Fußverkehr geführt werden. Sie zeichnen sich durch besondere Qualitätsstandards der Linienführung, der Netzverknüpfung, der Erkennbarkeit und der Ausstattung aus.
- Vorrangnetz nach § 42 MobG: Zum Vorrangnetz gehören besonders wichtige Verbindungen, insbesondere Verbindungen von gesamtstädtischer Bedeutung. Hier soll dem Radverkehr Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden, u. a. auch durch Lichtzeichenanlagen, die für einen fließenden Radverkehr koordiniert werden.
- Radverkehrsanlagen an oder auf Hauptverkehrsstraßen nach § 43 MobG: Auf oder an allen Hauptverkehrsstraßen sollen sichere Radverkehrsanlagen geschaffen werden. Da sich viele Quellen und Ziele an den Hauptverkehrsstraßen befinden, haben sie eine wichtige Erschließungs-, aber auch Verbindungsfunktion über kurze und mittlere Entfernungen. Die Gestaltungsgrundsätze sind u. a.: Sicherer Abstand zu parkenden Kraftfahrzeugen, gegen unzulässiges Befahren von Kraftfahrzeugen geschützt, so breit, dass sich Radfahrende sicher überholen können. Hauptverkehrsstraßen sind alle Straßen des übergeordneten Straßennetzes der Stufen I bis IV lt. Stadtentwicklungsplan Verkehr vom 29.03.2011 (Planung 2025).
- Fahrradstraßen und Nebenstraßen nach § 44 MobG: Nebenstraßen haben eine wichtige Erschließungs- und Verbindungsfunktion über kurze und mittlere Entfernungen. Es wird angestrebt, Nebenstraßen als Fahrradstraßen auszuweisen. Die Gestaltungsgrundsätze sind u. a.: Motorisierter Individualverkehr – außer Quell- und Zielverkehr – soll im jeweiligen Straßenabschnitt unterbleiben, Maßnahmen gegen das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sowie sicherheitsverträgliche Geschwindigkeiten beim Abbiegen des motorisierten Individualverkehrs werden angestrebt. Das Radverkehrsnetz stellt ein Zielnetz für das Jahr 2030 dar (§ 41 (4) MobG).
Ansprechpartner für die Presse im Team Changing Cities e.V./ Volksentscheid Fahrrad:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.de, 0171 535 77 34
Weiterführende Links:
Das Berliner Mobilitätsgesetz (mit Begründungen)
Informationen zu Changing Cities e.V.
Informationen zum Volksentscheid Fahrrad
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Über Changing Cities e.V.: Changing Cities e.V. ist am 23. Mai 2017 aus dem Netzwerk Lebenswerte Stadt e.V. entstanden. Das bislang größte Projekt des Vereins ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürgerinitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.
Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Viele Verbände, Unternehmen und Wissenschaftler*innen unterstützten das Anliegen, das Radverkehrsgesetz (RadG) schnell in Kraft zu setzen. Ziel ist, dass wir Berlinerinnen und Berliner sicher und entspannt Rad fahren können; dafür hat die Initiative das Berliner RadG erarbeitet. Nur mit dem RadG kann der Senat dauerhaft verpflichtet werden, schnell und aktiv eine gute Radinfrastruktur zu schaffen. Der 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benennt konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad ist Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berlinern unterschrieben – sieben Prozent der Wählerstimmen. Die neue Koalition hatte zugesagt, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen, ein Mobilitätsgesetz auf Basis des RadGs bis Frühjahr 2017 in Kraft zu setzen und ab 2018 jährlich mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege zu investieren. Über 100 aktive Mitstreiter*innen organisieren sich selbst durch Online-Projekttools und durch schnelle, handlungsorientierte Entscheidungsfindung.