Siegfriedstraße: Hauptsache Parkplätze

Nach einer umfassenden Prüfung liegt nun der BVV Lichtenberg eine Beschlussvorlage zur Gestaltung der Radwege in der Siegfriedstraße vor. Empfohlen wird eine Variante, bei der möglichst viele Parkplätze erhalten bleiben. Dies geht ausschließlich zu Lasten der Fußgänger*innen – 40% des Fußweges wird in Parkplätzen umgewandelt – und der Radfahrenden, für die genau wie heute gilt: keinerlei Schutz. Das Netzwerk Fahrradfreundliches Lichtenberg bei Changing Cities bemängelt die klare Missachtung des Berliner Mobilitätsgesetzes.

Auf sieben Seiten stellt das Bezirksamt Lichtenberg trocken fest, dass man nicht gewillt sei, das Berliner Mobilitätsgesetz zu befolgen. In dem 2018 verabschiedeten Gesetz sind zwei Prinzipien verankert, die der Bezirk aber völlig ignoriert: erstens Vorrang des Fuß-, Rad- und Nahverkehrs und zweitens Vorrang des fließenden Verkehrs vor parkenden Autos. 

Favorisiert wird nun durch das Bezirksamt ein nicht-geschützter Radstreifen zwischen parkenden Autos und der Tram, mit der Begründung, dass auf diese Weise am meisten Parkplätze erhalten bleiben. Alle weiteren, notwendigen Prüfungen werden unterlassen. Die Sicherheit des Radverkehrs bleibt völlig unberücksichtigt. Es ist sogar wie überall in Berlin zu erwarten, dass Falschparker den ungeschützen Radstreifen zustellen und den Radverkehr so zu gefährlichen Ausweichmanövern zwingen. Dazu dürfen die Tram und Autos bereits heute in der Siegfriedstraße Radfahrende nicht überholen – wenn sie den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand einhalten. Dies würde auch bei der Anlage eines ungeschützten Schutzstreifens gelten. Anders bei der Anlage der geschützten Radinfrastruktur: Hiervon profitieren also auch Tram- und Kfz-Verkehr. 

„Dass der Bezirksstadtrat Nünthel mehrere Monate benötigt, um eine völlig unzureichende Prüfung durchzuführen, die lediglich eine Berechnung der wegfallenden bzw. erhaltenen Parkplätze beinhaltet und alle weiteren Prüfungen, wie beispielsweise die Sicherheit des Radverkehrs oder auch die Leichtigkeit des Tram-Verkehrs auf der Siegfriedstraße außen vor lässt, zeigt deutlich, dass der Bezirk nicht gewillt ist, die Mobilität im Bezirk nachhaltig zu verbessern und es lediglich darum geht, die Maßnahme mutwillig zu verzögern“, so Malte Preuß vom Netzwerk fahrradfreundliches Lichtenberg. „Wenn sich der Bezirk nicht bald besinnt und ein rechtskonformes Verhalten an den Tag legt, dann sehen wir die Verkehrssenatorin in der Pflicht die Maßnahme an sich zu ziehen.“

Besonders bitter: Das Bezirksamt Lichtenberg unter dem CDU Stadtrat Wilfried Nünthel hat hier eine bereits verworfene Planung wieder ins Spiel gebracht. Die ganze Prüfung war lediglich von dem Willen getrieben, gerade einmal 25 Parkplätze mehr zu erhalten. Obwohl die Schaffung eines Schutzstreifens für den Radverkehr überhaupt nicht vom Prüfauftrag der BVV umfasst war, favorisiert man nun diese alte, „eigene“ Planung und würgt jegliche Bemühungen um sichere Radwege von Seiten der Senatsverwaltung sowie der Bevölkerung ab. So sprach sich der ursprüngliche Antrag – der einstimmig von allen Parteien beschlossen wurde – klar für einen geschützten Radweg aus.

„Die Verkehrswende wird wieder hinten angestellt. Wo sind die Visionen des Bezirksamtes für die zukünftige Mobilität? Ist der ‘Erhalt von Parkplätzen‘ wirklich die adäquate Antwort auf drängende Fragen: Wie wird Mobilität nachhaltiger? Wie gestalten wir die Verkehrswelt in einer wachsenden Stadt? Und vor allem: Wie schaffen wir eine lebenswertere Stadt für alle – für Menschen, die wirklich aufs Auto angewiesen sind und für die Mehrheit der Berliner und Berlinerinnen, die nicht mit dem Auto unterwegs sind?“, fragt Ragnhild Sørensen von Changing Cities.

Ansprechpartner*in für die Presse bei Changing Cities e.V.:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, 0171 535 77 34

Weiterführende Links:

Die Beschlussvorlage des Bezirkamtes Lichtenberg

Informationen zum Netwerk fahrradfreundliches Lichtenberg

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Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürgerinitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.

Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Ein 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benannte konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad wurde Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berlinern unterschrieben – 7% der Wählerstimmen. Die neue Koalition sagte darauf zu, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen. Am 28. Juni 2018 verabschiedete der Berliner Senat Deutschlands erste Mobilitätsgesetz. Jährlich werden nun mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege investiert.