#Kiezblocks für Pankow: Verkehrsplanung, die begeistert

Braucht man für Verkehrspolitik in Berlin vor allem Expertenwissen, Leidensfähigkeit und endlos viel Geduld? Das Netzwerk Fahrradfreundliches Pankow, Changing Cities, Stadt für Menschen und weitere Initiativen ließen es Mittwochabend auf eine Probe ankommen: Über 70 Pankowerinnen und Pankower folgten der Einladung und entwickelten schnell umsetzbare Maßnahmen, um den Durchgangsverkehr in ihren Kiezen zu reduzieren. Die Ideen zu den 12 Kiezblocks in Pankow werden am 12. Februar den Entscheidungsträgern im Bezirk übergeben.

Bei den #Kiezblocks geht es vor allem darum, den Schleichverkehr zu stoppen, Routen zu Fuß, mit dem Rad und dem ÖPNV attraktiv zu machen sowie dabei die Besonderheiten des Kiezes zu stärken. Vorbild sind die sogenannten Superblocks in Barcelona, die den Anfang einer Post-Auto-Ära in der katalanischen Stadt einleiteten. In Berlin bleibt die Verkehrswende dagegen nach halbherzigen Entscheidungen und Missgeschicken der Verkehrsverwaltung trotz eines Mobilitätsgesetzes bislang ein Zukunftstraum. 11 Prozent mehr Pkw in den letzten 10 Jahren sind die Antwort der Berliner*innen. Angesichts wachsender Staulängen ergießt sich die Blechlawine zunehmend in die Wohngebiete. Dort wird es immer lauter und unsicherer, denn Nebenstraßen sind nicht für die Durchfahrt starker Kfz-Ströme konzipiert, kurz: Die Lebensqualität bleibt auf der Strecke (im Wortsinne).

„Mit dem Workshop wollen wir zeigen, dass Verkehrsplanung auch anders geht. Das Interesse war gewaltig. Wir waren selbst überrascht, wie viele gekommen sind. So konnten wir statt für acht Kieze gleich für zwölf Nachbarschaften Ideen für Kiezblock-Lösungen entwickeln“, sagt Tobias Kraudzun, Sprecher des Netzwerks Fahrradfreundliches Pankow. „Oft führen einzelne Maßnahmen zur Reduzierung des Autoverkehrs an einer Stelle nur zur Verlagerung in benachbarte Straßen. Deswegen betrachten wir die Kieze als Ganzes. Wir haben die besten Experten eingeladen, die über die notwendigen Detailkenntnisse verfügen und um die Probleme und Herausforderungen Bescheid wissen: die Anwohnerinnen und Anwohner.“

Die Bezirksverordneten haben das Bezirksamt am 30. Oktober 2019 beauftragt, machbare Verkehrsleitkonzepte für vom Durchgangsverkehr besonders betroffene Pankower Wohnquartiere zu entwickeln. Die Chancen, dass es dazu kommen könnte, stehen in der Tat nicht schlecht. Im Friedrichshainer Samariterkiez haben schon wenige diagonale Sperren  an ausgewählten Kreuzungen den größten Teil des Durchgangsverkehrs unterbunden. Auch in Pankow können die zuständigen Behörden ähnliche Maßnahmen im Rahmen von Verkehrsversuchen anordnen. Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 der StVO können sie durch Beschränkungen an Kreuzungen oder durch Durchfahrtsverbote den Kfz-Verkehr zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen umleiten. Das ist in diesem Falle auch ohne aufwendige Vorbereitung möglich, denn verkehrssichernde oder verkehrsregelnde Maßnahmen sollen erprobt werden.

#Kiezblocks werden ebenso im Bergmannkiez und am Ostkreuz von Anwohner*innen und in Zusammenarbeit mit Verkehrsplaner*innen aus der Verwaltung entwickelt. „Der #Kiezblock ist ein zivilgesellschaftlicher Hebel für die Verkehrswende mit sehr viel Potenzial für die Selbstorganisation der Menschen – und ein weiterer Baustein für lebenswerte und nachhaltigere Städte,“ meint Ragnhild Sørensen von Changing Cities.

Zu dem Verkehrsworkshop hatten die folgenden Initiativen eingeladen: Netzwerk Fahrradfreundliches Pankow als Projekt von Changing Cities, Stadt für Menschen, AG Verkehr der Bremer Höhe, sowie AG Verkehr des Pankower Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen.

Ansprechpartnerin für die Presse bei Changing Cities e.V.:

Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, 0171 535 77 34

Weiterführende Links:

Informationen zum Volksentscheid Fahrrad

Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürgerinitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.

Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Ein 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benannte konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad wurde Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berlinern unterschrieben – 7% der Wählerstimmen. Die neue Koalition sagte darauf zu, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen. Am 28. Juni 2018 verabschiedete der Berliner Senat Deutschlands erste Mobilitätsgesetz. Jährlich werden nun mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege investiert.