728 + 2 Kinder im Straßenverkehr 2024 verletzt

Gestern in Kaulsdorf und Lichterfelde: Ein 13-jähriges und ein 9-jähriges Mädchen wurden von Pkw angefahren und lebensgefährlich verletzt. Gestern in Mitte: Verkehrssenatorin Bonde (CDU) präsentierte ihre Verkehrssicherheitskampagne „Sei kein Verkehrsmonster“ und empfahl Yogaübungen gegen aggressives Verhalten im Verkehr. Mit welcher Übung wäre den Mädchen wohl die lebensgefährlichen Verletzungen erspart geblieben, Frau Bonde: mit „dem herumschauenden Hund“, „dem fokussierten Baum“ oder eher „dem Daumengruß“?

Vor sechs Tagen wurde bekannt, dass 2024 die Zahl der in Berlin verletzten Kinder unter 14 und Erwachsenen über 65 Jahren dramatisch gestiegen ist. Die Polizeistatistik deutet eine Steigerung von bis zu 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr an. Seit anderthalb Jahren gilt das Miteinander als Leitlinie der CDU/SPD-Verkehrspolitik in der Hauptstadt. Jetzt wissen wir: Für Kinder und ältere Menschen bleibt das Miteinander lebensgefährlich.

„Wir wünschen den beiden Mädchen alles Gute, schnelle Genesung und möglichst keine bleibenden Schäden. Beide wurden von Pkw an extrem gefährlichen Kreuzungen verletzt. Diese sind für Kinder nicht sicher begehbar, ebenso wenig für Rollstuhlfahrer*innen, für Menschen mit Rollatoren oder Kinderwagen, für Radfahrende oder für Fußgänger*innen. Sie sind nur für Autos konzipiert. Wir nehmen also in Kauf, dass Kinder verletzt werden – damit der Autoverkehr ungehindert fließt. Ist die einzige Antwort der Senatsverwaltung darauf Yoga?“, fragt Ragnhild Sørensen von Changing Cities.

Über 160 Städte in 15 europäischen Ländern haben in großem Umfang schon Tempo 30 eingeführt. In London hat man seit 2017 über 650 autofreie Schulstraßen eingerichtet, in Paris will man bis 2026 300 autofreie „rues aux écoles“ umsetzen, in Belgien gibt es über 170 dieser Straßen. In Berlin gibt es eine (1!) autofreie Schulstraße, und der Senat plant, Tempo 30-Abschnitte auf Hauptstraßen wieder abzuschaffen. 

730 Kinder unter 14 Jahren wurden in diesem Jahr schon auf den Berliner Straßen verletzt. 21 Menschen über 65 Jahren wurden im selben Zeitraum auf denselben Straßen getötet. Auf den Straßen klebt buchstäblich Blut – und der Senat schließt die Augen, als sei der Schutz der Bürger*innen nicht seine Aufgabe. Die Standardantwort der Unfallkommission der Polizei nach Unfällen lautet: „Keine Maßnahmen mit Begründung: Der Unfall­hergang liefert nach derzeitigem Stand keine Anhalts­punkte dafür, dass das Risiko für ein ähnliches Ereignis durch eine Veränderung der örtlichen Infrastruktur reduziert werden könnte.“

Mit anderen Worten: Da kann man nichts machen, außer Yoga. 

Weiterführende Links:
Petition für Schulstraßen in Berlin
Die Polizeimeldungen vom 1.10.2024, Kaulsdorf und Lichterfelde
Bewertungen der Unfallkommission zu Unfällen 2024