Wozu haben wir das Mobilitätsgesetz? Ungenügende Radinfrastruktur auf der Kolonnenstraße

Vorletzte Woche weihten Staatssekretär Streese und Stadträtin Heiß die neue Radinfrastruktur auf der Kolonnenstraße ein. Das Teilstück zwischen Leberbrücke und Loewenhardtdamm stellt eine wichtige Ost-West-Verbindung dar, und neue Radverkehrsanlagen waren überfällig. Nun stellt Changing Cities jedoch fest, dass über die Hälfte der neuen Strecke nicht dem Mobilitätsgesetz entspricht. 

Auf 54 Prozent der Länge der neu gebauten Radverkehrsanlagen in der Kolonnenstraße werden die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten: Sie sind zu schmal, zu unsicher oder faktisch nicht vorhanden, weil sie als Bussonderfahrstreifen ausgewiesen sind. 

Mit zwei Metern wird sogar bei obenstehender Berechnung die Mindestbreite der Radwege als erfüllt betrachtet – obwohl diese im Gesetz mit 2,3 Meter standardmäßig festgeschrieben ist. Am schmalsten ist das Teilstück zwischen Geßlerstraße bis Wilhelm-Kabus-Straße (1,8 Meter), kein Teilstück weist die Regelbreite von 2,3 Meter aus.

Sichere und selbstbewusste Radfahrende werden die neuen Radverkehrsanlagen als Fortschritt sehen. Aber auch für diese wird es an zwei Kreuzungen kritisch, da die Sichtverhältnisse dort mangelhaft sind. Gravierende Planungsfehler provozieren geradezu Abbiegefehler der Kfz an der Einmündung Gustav-Müller-Straße und auf der Kreuzung Naumannstraße / Kolonnenstraße..

Ebenfalls problematisch sind die Bussonderfahrstreifen: Sie eignen sich nicht als sichere Radinfrastruktur. Diese Spuren werden oft von Autofahrer*innen als Parkstreifen missbraucht. An manchen Stellen ist sogar Be- und Entladen auf der Bus-/Radspur zwischen 10 und 14 Uhr erlaubt. Radfahrende müssen dann auf den besonders gefährlichen Fahrstreifen des fließenden Verkehrs wechseln, auf dem die Kfz-Lenker*innen nicht mit Radfahrenden rechnen. 

„Bussonderfahrstreifen locken keine Menschen aufs Fahrrad und schrecken unsichere Radfahrende ab. Aber genau diese Zielgruppen sollen durch das Mobilitätsgesetz gefördert werden! Wer schickt schon gerne sein 10-jähriges Kind auf eine Fahrspur für Busse und Taxis? Das Mobilitätsgesetz wird nicht nur in der Quantität ausgehöhlt, sondern auch in der Qualität. Das ist zutiefst unbefriedigend“, sagt Jens Steckel von Changing Cities.

Die Erfüllung der „Vision Zero“, offizielle Leitlinie für alle Planungen und Maßnahmen, sieht anders aus als in der Kolonnenstraße. Nachbesserungen sind also dringend vonnöten.

Ansprechpartnerin Changing Cities e.V.:

Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, 0171 535 77 34

Weiterführende Links:

Eine detaillierte Analyse der Radverkehrsanlagen

Bericht über Radwege in der Kolonnenstraße in der Morgenpost vom 5. März 2021

Informationen zum Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg

Bilder zur kostenlosen Nutzung für die Presseberichterstattung

Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.