„Schulkinder haben keine Lobby.“

Anne und Mitstreiter*innen ihrer Initiative

Liebe Leser*innen,

die Bewegung für Schulwegsicherheit hat viele Mitstreiter*innen, vor allem Eltern, aber auch Schüler*innen, Lehrer*innen und Schulleitungen. Sie alle setzen sich häufig über Jahre dafür ein, dass Kinder selbständig und sicher zur Schule gelangen. Jetzt kommen sie selbst zu Wort.

Heute hören wir von Dr. Anne Löchte. Seit an der Grundschule ihrer Tochter ein Kind angefahren und schwer verletzt wurde, setzt sie sich für sicherere Schulwege ein. Dabei hat sie viele wertvolle Erfahrungen gesammelt. Wir freuen uns sehr, dass sie diese mit euch teilt.

Liebe Anne, Du setzt Dich seit Jahren für die Schulwegsicherheit ein. Was war der Auslöser dafür? 

Vor Jahren wurde ein Mitschüler meiner Tochter angefahren und schwer verletzt, als er bei Grün (!) die Ampel vor seiner Grundschule überquerte. Alle wussten seit Jahren, dass diese Kreuzung hoch gefährlich war, und trotzdem war nichts passiert. Da war mir klar: Jetzt reicht es. Wir müssen etwas tun. Und ich gründete mit zahlreichen Mitstreiter*innen die Initiative „Sicherer Schulweg Giesensdorfer“.

Wo siehst Du die größten Probleme? Was muss sich Deiner Meinung nach sofort ändern? 

Schulkinder haben keine Lobby. Dem Autoverkehr wird immer noch Priorität eingeräumt. Ich halte das – auch im Hinblick auf die Gestaltung lebenswerter Städte – für völlig gestrig. Das Thema Schulwegsicherheit ist eingebettet in einen viel größeren gesellschaftlichen Kontext: Wie wollen wir in unseren Städten zusammenleben und den gemeinsamen Raum gestalten? Hier gibt es so viele Möglichkeiten! Verkehrsberuhigung wird oft als Hindernis gesehen. Ich sehe sie als Chance, das Umfeld lebenswerter zu gestalten, sicherer, grüner, ruhiger. Aber mal ganz pragmatisch gedacht: Es müssten sofort Maßnahmenpakete zur Schulwegsicherheit gesetzlich verankert werden, die unbürokratisch von den Schulen beantragt und dann schnell umgesetzt werden können. Die Schulen wissen in der Regel sehr gut Bescheid, was notwendig ist.

Wie schnell oder langsam werden Veränderungen von Politik und Verwaltung umgesetzt?

Viel zu langsam. Es dauert Jahre, bis auch nur ein Zebrastreifen genehmigt wird, und dann nochmal Jahre, bis er auf die Straße gepinselt wird.

Auf welchen Wegen hast Du versucht, die Situation zu verbessern? Und wie schaffst Du es, dabei zu bleiben und nicht aufzugeben?

Wir haben eine Bürgerinitiative gegründet, erfolgreich einen Einwohnerantrag durchgesetzt, wir haben mit zahllosen Politiker*innen gesprochen und an der Schulzonenkampagne von Changing Cities teilgenommen. Wie ich es schaffe, nicht aufzugeben? Mich macht das unheimlich wütend, dass so wenig passiert – die Kinder haben keine Lobby, also müssen wir uns einsetzen. Und mich nervt es kolossal, wie wenig Bürgerengagement gefördert wird – es kostet unverhältnismäßig viel Kraft, auch nur kleine Verbesserungen durchzusetzen.

Was hältst Du von der Kampagne #100Schulzonen?

Die Kampagne finde ich super – wir haben uns ja auch beteiligt. Das gibt dem Thema Präsenz, wir haben direkt gemerkt, wie viel Öffentlichkeit wir bekommen haben. Auf einmal waren die Bezirkspolitiker*innen und die Presse da.

Möchtest Du uns noch etwas mit auf den Weg geben?

Bleibt dran! Ihr sorgt dafür, dass Kräfte gebündelt werden und das Thema immer wieder Sichtbarkeit bekommt.

Vielen Dank für das Interview, Anne!