Bei der Überprüfung der Radwege stimmt sich die Senatsverwaltung mit Autohäusern ab. Dies geht aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hervor. Und so zeigen die Priorisierungen und Überprüfungen nach fast einem halben Jahr Wirkung: Nur vier Radprojekte liegen im zeitlichen Rahmen. Aber trotz „Freigabe“ von 16 Projekten sind bisher nur drei genehmigt. Durch die Verzögerung verfallen 8,5 Mio Euro aus dem Landeshaushalt und schaffen dadurch einen Finanzierungsengpass 2024. Entgegen allen Versprechungen und rhetorischer Nebelkerzen der Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) bremst sie den Ausbau des Radnetzes weiter aus.
Schreiner versprach vollmundig, mehr Radwege als ihre Vorgängerin zu bauen. Ein Vergleich der ersten drei Quartale 2022 und 2023 zeigt jedoch: Sie muss sich verdammt sputen. 2022 wurden 12 km unter Bezirksaufsicht gebaut – 2023 gerade mal die Hälfte, also 6 km. Und das, obwohl ausreichend Geld im aktuellen Haushalt vorhanden ist.
Die Überprüfungen erweisen sich, wenig überraschend, als Bremse. Alle Projekte, die nun 2023 nicht realisiert werden, werden auf 2024 verschoben. Laut dem Bericht der Senatsverwaltung vom 5. Oktober schöpfen allerdings zugesagte Projekte 2024 mit 6 Mio. Euro bereits das komplette Budget für 2024 aus. Es ist also kein Geld für verschobenen Projekte da. Da nicht geplant ist, zusätzliche Gelder zur Verfügung zu stellen, müssen viele Projekte voraussichtlich sogar auf 2025 verschoben werden.
„Die Priorisierungen zeigen Wirkung und verursachen 2024 einen Finanzierungsengpass. Da kann man nur noch müde lächeln, wenn sich die Senatsverwaltung bei einer Radwegeüberprüfung mit Autohäusern abstimmt, um mehr Ladefläche für Autotransporter zu schaffen. Diese Verwaltung verdient ihren Namen nicht: Mobilität, Klimaschutz und Umwelt sind ihr herzlich egal – ihr geht es nur um mehr Autoverkehr“, sagt Ragnhild Sørensen von Changing Cities.
An einem weiteren, aktuellen Beispiel sieht man konkret die autofreundliche Stoßrichtung der Überprüfungen. In der Grunewaldstraße wurden die Pläne überarbeitet:
1. Über längere Strecken entfällt der Schutz der Radinfrastruktur. So wird der Radweg für das Falschparken von Kfz genutzt, und Radfahrende werden in den Fließverkehr gezwungen.
2. Die geplanten Radwege sind nun überwiegend schmaler, nämlich 2 Meter. Laut Radverkehrsplan ist eine Breite von 2,3 Meter vorgesehen, um ein sicheres Überholen zu ermöglichen.
Die Planänderungen dienen ausschließlich der Schaffung bzw. dem Erhalt von Kfz-Parkplätzen und -Fahrstreifen.
Nach dem Stopp des Projekts am Halleschen Ufer will die Verkehrsverwaltung nun auch Tempo 30 auf der Leipziger Straße und der Martin-Luther-Straße aufheben. Das Einzige, bei dem die Verkehrsverwaltung Tempo macht, ist das Schreinern aller zukunftsfähigen Pläne für eine Neugestaltung der Stadt.
Pressekontakt:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, +49 171 535 77 34
Weiterführende Links:
Parlamentarische Anfrage 19/16986 zum Thema Radwege-Stopp
Parlamentarische Anfrage 19/17004 zum Thema Mehr Radwege für Berlin? (wird erst Montag veröffentlicht)
Bericht der Senatsverwaltung vom 5. Oktober
Neue Pläne der Infravelo für die Grunewaldstraße
Vergleich Anordnungen Grunewaldstraße Mai-Oktober 2023
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