Offener Brief vom Team SucheSicherenRadweg

Ein Mensch und ein Bär Arm in Arm von hinten. Beide tragen Warnwesten auf denen steht: Suche sicheren Radweg. Im Hintergrund eine Kundgebung.

Berlin, 5. Juni 2025

Sehr geehrte Frau Senatorin Bonde,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Herz,


seit drei Wochen suchen wir während der Aktion „Stadtradeln 2025“ sichere Radwege in Berlin. Wie Sie wissen, sind nur 5,9 Prozent des Berliner Radnetzes fertiggestellt – die meiste Zeit und insgesamt über 170.000 Kilometer sind wir also auf Straßen gefahren, die keine Sicherheit für Radfahrende bieten.
Noch vor dem Stadtradeln-Startschuss musste eine Person ihre Anmeldung bereits wieder zurückziehen. Sie wurde von einem Autofahrer von hinten gerammt und liegt seitdem schwer verletzt im Krankenhaus. Sie sehen: Wir fordern nicht zum Spaß sichere Radwege. Es ist leider bitter ernst.

Foto der Abschlusskundgebung einer Fahrraddemonstration, im Fordergrund befestigen zwei Menschen gemeinsam eine bunte CHanging Cities Fahne an einem Fahrrad, im Hintergrund steht ein Mann mit Mikrophon auf einer niedrigen Bühne vor einer Menschenmenge.

Sichere Radwege müssen wir erkämpfen. dafür brauchen wir deine Unterstützung!

Doch welche Priorität hat die Sicherheit Radfahrender für die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt? Sie haben nahezu alle Radwegeprojekte gestoppt, Sie haben die Planung von acht der neun Radschnellverbindungen eingefroren, Sie wollen vier von sechs Fahrradparkhäusern nicht bauen lassen, Sie haben das Fahrradleihsystem abgeschafft. Gestern sind Sie noch einen Schritt weitergegangen und haben den Radwegerückbau in der Kantstraße angeordnet. Auch Kiezblocks, die die Wohnviertel verkehrsberuhigen und sicherer, klimaresilienter und lebenswerter machen, wollen Sie nicht unterstützen. Sie verhindern Bussonderspuren und neue Tramlinien, so dass Bus und Tram weiterhin von fehlenden Vorrangschaltungen ausgebremst werden. Sie kürzen die Gelder für den ÖPNV radikal. Nun soll auch noch das kostenlose Schülerticket dem Sparhaushalt zum Opfer fallen. Dabei verweisen Sie auf die schwache Berliner Haushaltslage.

Keinen Geldmangel scheint es dagegen bei der Zementierung autozentrierter Verkehrspolitik zu geben. Die Tangentialverbindung Ost schluckt bereits vor dem ersten Spatenstich 400 Mio. €, der Schlangenbader Tunnel vor Sanierung 40 Mio. € und der Marzahner Knoten wird am Ende die 300 Millionenmarke knacken – nur damit am Ende wieder Tausende im Autostau stehen. 

Bei all dem handeln Sie gegen besseres Wissen: Der Autoverkehr ist nachweislich sehr teuer für die Gesellschaft. 20 Cent pro Kilometer kostet der Kfz-Verkehr die Allgemeinheit, wogegen ein geradelter Kilometer der Gesellschaft 30 Cent einbringt. Warum ignorieren Sie solche Forschungsergebnisse in Zeiten, in denen sich Berlin in schwierigem finanziellen Fahrwasser befindet? 

Sie nennen Ihre Politik „Miteinander”. Aber wo sind die Fußgänger*innen, die Radfahrenden und der ÖPNV in diesem viel beschworenen Berliner Miteinander? Nur 22 Prozent der Wege in Berlin werden mit dem Pkw zurückgelegt, der Autoverkehr ist seit 2013 von 30 auf 22 Prozent zurückgegangen – Ihre Politik dient nur einer kleiner werdenden Minderheit! Glauben Sie wirklich, dass Ihre reflektierenden Regenschirme und Yoga-Monster die Verkehrssicherheit verbessern? Glauben Sie wirklich, dass Sie Physik und Verkehrswissenschaft zum Trotz mit Tempo 50 das Ziel der Vision Zero erreichen können? In Berlin starben letztes Jahr 55 Menschen auf der Straße, während in Bologna, Brüssel, Oslo und Helsinki niemand mehr im Straßenverkehr stirbt, seit dort Tempo 30 gilt?

Bei dem von Ihnen veranstalteten Stadtradeln haben sich mehr als 33.000 Berliner*innen beteiligt. Das sind sehr viele Menschen, denen Radfahren wichtig ist. Das Team SucheSicherenRadweg war das Zweitgrößte, nur übertroffen von der Berliner Polizei. 

Frau Bonde, 55 Verkehrstote 2024 sind keine zufälligen Unfälle, sondern die Folge fataler verkehrspolitischer Entscheidungen. Wir, die Berliner Radfahrenden, können keine sicheren Radwege bauen. Das können nur Sie. Wir bitten Sie dringend, die Radfahrer*innen ebenso wie die Fußgänger*innen in Ihrem „Miteinander“ mit zu denken.

Mit freundlichen Grüßen

Das Team #SucheSicherenRadweg