Berlin, 29. Oktober 2018 – Zwei Personen aus verschiedenen Bezirksnetzwerken für Fahrradfreundlichkeit erhielten kürzlich Post von der Polizei: Gegen sie wird als Beschuldigte wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz ermittelt, weil sie am PARK(ing) Day, einem weltweiten Aktionstag zur temporären Umgestaltung von Parkplätzen zu Parks, an Aktionen teilgenommen hatten. Durch die diskriminierende Definition und Handhabe des Gemeingebrauchs der Straße wird hier zivilgesellschaftliches Engagement für eine lebenswerte Stadt zum Vorteil betrügerischer Autokonzerne kriminalisiert.
Das Berliner Versammlungsrecht stellt die Nichtanmeldung einer politischen Versammlung unter freiem Himmel unter Strafe. Das Berliner Straßengesetz sieht auf der anderen Seite vor, dass die Straße allein dem Verkehr gewidmet ist. Andere Nutzungen sind genehmigungs- und gebührenpflichtige Sondernutzungen oder eben anmeldepflichtige Versammlungen. Das Recht lässt also Verkehr als einzige unbürokratische, niedrigschwellige Nutzung zu.
„Mit Verkehr ist hier in erster Linie Autoverkehr gemeint. Wir haben also ein Recht geschaffen, dass die Nutzung des Autos, also des Hauptprodukts der Autoindustrie, für einen großen Teil des öffentlichen Raums zur allein gültigen erklärt“, so Antje Heinrich vom Netzwerk Fahrradfreundliches Friedrichshain-Kreuzberg.
Das Berliner Straßengesetz spricht in §10 davon, dass die Straße allein dem Verkehr gewidmet ist. Das Wort Verkehr wird hier allerdings nicht näher definiert. Um das Abstellen von Autos im öffentlichen Raum zu legalisieren, hat man das Parken ebenfalls zum Verkehr erklärt und nennt parkende Autos „ruhenden Verkehr“.
„Wenn wir das Abstellen des Privatgegenstands Auto als Teil des Verkehrs und damit als Gemeingebrauch ansehen, ist es für mich nicht ersichtlich, warum das Abstellen eines privaten Stuhls und das Daraufsitzen nicht auch Verkehr sein soll: ruhender Fußverkehr eben“, kritisiert Johannes Kick vom Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln.
Changing Cities kritisiert die Kriminalisierung des ruhenden Fußverkehrs. Nach Ansicht der Organisation stellt die einseitige Bevorzugung des Autoverkehrs nicht nur eine Diskriminierung derjenigen dar, die aufs Zufußgehen angewiesen sind. Es handelt sich auch um eine ungerechtfertigte Subventionierung der Autoindustrie, wenn deren Produkte in privatem Besitz bevorzugt, unbürokratisch und meist kostenlos im öffentlichen Raum abgestellt werden dürfen.
„Es ist schon fast skandalös, wie ein Gesetz die Diskriminierung anderer Verkehrsmittel und ihrer Nutzer*innen für normal erklärt und gleichzeitig einer betrügerischen Autoindustrie den öffentlichen Raum in den Rachen wirft. Wir fordern eine klarstellende Änderung des Berliner Straßengesetzes und seine Anpassung an den Vorrang für den Umweltverbund und die Gestaltung des öffentlichen Raums als Ort des Verweilens wie es das auf unsere Initiative zurückgehende Berliner Mobilitätsgesetz vorschreibt“, fordert Denis Petri von Changing Cities.
Weiterführende Links:
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Berliner Straßengesetz
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Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Viele Verbände, Unternehmen und Wissenschaftler*innen unterstützten das Anliegen, das Radverkehrsgesetz (RadG) schnell in Kraft zu setzen. Ziel ist, dass wir Berlinerinnen und Berliner sicher und entspannt radfahren können; dafür hat die Initiative das Berliner Radverkehrsgesetz (RadG) erarbeitet. Nur mit dem RadG kann der Senat dauerhaft verpflichtet werden, schnell und aktiv eine gute Radinfrastruktur zu schaffen. Der 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benennt konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad ist Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berlinern unterschrieben – 7% der Wählerstimmen. Die neue Koalition hat zugesagt, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen, ein Mobilitätsgesetz auf Basis des RadGesetzes bis Frühjahr 2017 in Kraft zu setzen und ab 2018 jährlich mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege zu investieren. Über 100 aktive Mitstreiter*innen organisieren sich selbst durch Online-Projekttools und durch schnelle, handlungsorientierte Entscheidungsfindung.
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