Nach einer zweijährigen Überprüfung des Antwortverhaltens des Senats von insgesamt 200 Baustellenmängeln steht fest: Das Projekt „Baustellenoptimierung durch Bürger*innen“ funktioniert vorne und hinten nicht. Es fehlt einfach der Baustellenleitfaden, wie er im Mobilitätsgesetz vorgesehen ist, so Changing Cities.
Das 2017 anvisierte Pilotprojekt ,Sicher Radfahren an Baustellen‘ wurde von vielen Seiten begrüßt: Einfach eine E-Mail schicken und Mängel bei Baustellen würden zeitnah von der zuständigen Behörde korrigiert. Es war wohl der Senatsverwaltung klar geworden, dass Schilder und Straßenführung allzu oft willkürlich und ohne Regelkenntnis installiert wurden.
Im Juli 2018 hatte das Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg bei 100 gemeldeten Baustellen das Antwortverhalten des Senats getestet. Das Ergebnis war niederschmetternd: 79 Prozent der Anfragen wurden nicht oder nur unvollständig bearbeitet. Der Senat nahm dazu Stellung und gelobte Besserung. Nach 100 weiteren getesteten Baustellen lässt sich nun fast ein Jahr später feststellen, dass die Verkehrslenkung Berlin (VLB) sich unwesentlich verbessert hat, bei den Bezirken dagegen eher eine Verschlechterung stattgefunden hat. Insgesamt bleiben jetzt 76 Prozent der Angaben unbeantwortet oder unvollständig bearbeitet, eine Verbesserung von 3 Prozent. „Die Prozesse funktionieren nicht in der Verwaltung. Wie viele Radfahrer müssen sich an Baustellen schwer verletzen, wie vor einer Woche in Berlin-Lichtenberg, bis das Problem ernst genommen wird? Solange es keine Baustellenleitfaden gibt, kann die Verwaltung ihre Aufgaben offensichtlich nicht bewältigen“, sagt Jens Steckel vom Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg.
Bei einer heutigen Besichtigung der Baustelle, an der sich der Radfahrer schwer verletzte, wurde auch eine Woche nach dem Sturz schwere Mängel festgestellt: Ein Zweirichtungs-Geh- und Radweg ist zum Teil auf 1,2 Meter reduziert, während die Pkw trotz Baustelle ungestört drei Spuren zur Verfügung haben. Diese Art der Baustellenanordnung ist nicht mit dem Mobilitätsgesetz konform. Weitere Beispiele hier.
Pressekontakt Changing Cities:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, 0171 535 77 34
Weiterführende Links:
Pressematerial zur Baustelle Alt-Friedrichsfelde und Auswertung 200 Baustellen
Das Berliner Mobilitätsgesetz (mit Begründungen)
Das Berliner Radverkehrsnetz, Entwurf vom Oktober 2018
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Über Changing Cities e.V.: Changing Cities e.V. ist am 23. Mai 2017 aus Netzwerk Lebenswerte Stadt e.V. umbenannt worden. Das bislang größte Projekt des Vereins ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es gelang die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürgerinitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.
Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Ein 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benannte konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad wurde Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berliner*innen unterschrieben – 7% der Wählerstimmen. Die neue Koalition sagte darauf zu, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen. Am 28. Juni 2018 verabschiedete der Berliner Senat Deutschlands erstes Mobilitätsgesetz. Jährlich werden nun mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege investiert.