Thijs Lukas

„Die Probleme müssen auf Landes- und Bundesebene mit Gesetzen angegangen werden, damit Kommunen sie lösen können.“

Thijs Lukas

Was war für dich der Moment, an dem du dich dazu entschlossen hast, dich für lebenswerte Städte einzusetzen?
Das war bei mir ein anfangs schleichender Prozess. Aus der Fahrradstadt Bremen ging ich zum Maschinenbaustudium erst nach Siegen und später für die Fahrzeugtechnik nach Stuttgart. Beide Städten sind brutale Autostädte, in denen Parkplätze höher gewertet werden, als die Lebensqualität der Anwohner*innen. Zum Ende meines Studiums arbeitete ich beim großen Autobauer in der Zukunftsforschung. LKW-Konzepte, autonomes Fahren, Interaktion mit dem urbanen Verkehr, so etwas. In der Zeit entdeckte ich die Critical Mass Stuttgart, die Gerichtsprozesse der deutschen Umwelthilfe für saubere Luft und gegen die grüne Landesregierung gingen in den Endspurt und ich fragte mich, was in dieser Stadt alles schief lief, dass wir trotz der enormen finanziellen Möglichkeiten und des hochwertigen akademischen und industriellen Wissens über so eine grobe und inspirationslose Maßnahme wie die Fahrverbote reden müssen.

Nach meinem Studium zog es mich erst nach Italien: Sprache lernen und dann bei einem kleinen Karosseriebauer in Turin Erfahrungen sammeln, so war mein Plan. Irgendwann in der Zeit an der Sprachschule fiel dann mein Entschluss, dass ich in Stuttgart nicht fertig war. Ich kehrte also zurück und fünf Monate später begann mit Unterstützung von Changing Cities die Gründung des Radentscheid Stuttgart.

Gibt es eine bestimmte Überzeugung oder ein bestimmtes Ziel, das dich in deinem Aktivismus antreibt?
Anfangs waren das bessere Radwege, Fahrradstraßen, Fußgängerzonen, Freiräume für Menschen, Spielflächen. Meine Vorbilder kamen aus Italien und den Niederlanden. Mittlerweile ist mein Ziel den Prozess für lebenswerte Orte in den Städten und auch auf dem Land zu beschleunigen oder zumindest am Laufen zu halten. In Stuttgart hab ich gelernt, wie wenig sich der Gemeinderat gegen die Stadtverwaltung durchsetzen kann, Demokratie hin oder her. Die Probleme müssen auf Landes- und Bundesebene mit Gesetzen angegangen werden, damit Kommunen sie lösen können. Darum bin ich sehr froh, dass wir uns von einzelnen Fuß- und Radentscheiden auf kommunaler Ebene hin zu einem gemeinsam arbeitenden Bündnis, dem BundesRad, weiter entwickelt haben.

Gibt es Momente aus den sechs Jahren Changing Cities, die besonders schön, bewegend und/oder einprägsam waren, so dass du dich immer noch sehr an sie erinnerst?
Changing Cities war am Anfang unsere Inspiration. In Stuttgart hatten wir noch keinen Plan, was wir wie machen wollen und können. Peter Broytman und Heinrich Strößenreuther hatten damals großen Anteil daran, dass wir schnell lernen konnten. Genauso erinne ich aber auch an den Austausch mit den Radentscheiden in Darmstadt und Bamberg. Denn die Erfahrungen aus Berlin – mit einem Volksentscheid auf Landesebene und dem enormen Wissens- und Kreativpool einer Millionenstadt – konnten wir nicht eins zu eins übertragen.

Was mir auch in Erinnerung bleibt, sind die Erfolge der folgenden Fuß- und Radentscheide. Wir waren mit einer kleinen Stuttgarter Delegation bei der Gründung des Fuß- und Radentscheid in Freiburg und konnten nun unser Wissen teilen. Gerne erinnere ich auch unser Treffen mit dem Radentscheid Erlangen, kurz bevor sie die großen Gesprächen mit Stadtverwaltung und Stadtrat hatten. Es gab offene Fragen zur Verhandlungsstrategie. Ein paar Tage später lieferten die Erlangener*innen ein hammergutes Ergebnis.

Was wünscht du dir für die nächsten sechs Jahre Changing Cities? Wo möchtest du die Bewegung für lebenswerte Städte in sechs Jahren sehen?
Ich möchte uns als bundesweit wirksame Bewegung aus der aktiven Bürgerschaft sehen, in der wir Wissen teilen und Aktionen planen. Außerdemwerden wir den Menschen, die Stadtentwicklung mit hoher Aufenthaltsqualität und Verkehrspolitik fortschritlich für nachhaltigen Verkehr zu Fuß, mit Rad und ÖPNV mitgestalten wollen, helfen Gehör zu finden und Entscheidungen voranzutreiben.

Du möchtest Thijs bei seinem Aktivismus unterstützen? Dann werde Fördermitglied! Schon mit 10 Euro im Monat hilfst Du Changing Cities bei der Organisation von Demonstrationen, dem Anmieten von Veranstaltungsräumen oder dem Druck von Plakaten und Stickern.