Tempo 30: Warum handelt die SenUMVK nicht?

Offener Brief der Bürgerinitiative Zabel-Krüger-Damm und Changing Cities vom 1. September 2022

Empfängerinnen:
Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin,
Bettina Jarasch (B90/Grüne), Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz

Sehr geehrte Frau Giffey, sehr geehrte Frau Jarasch,
„Die Koalition wird alle rechtlichen Möglichkeiten zur Ausweitung von Tempo 30 nutzen“ – so steht es in Ihrem Koalitionsvertrag. Doch die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz ist dazu nicht in der Lage – oder will es schlichtweg nicht.

Ja, Tempo 30 ist in erster Linie Bundesgesetz. Aber: Vor allem die neue europäische Regelung zur Lärmaktionsplanung(1) gibt Ihnen große Handlungsspielräume, um die Bevölkerung vor Lärm zu schützen. Genau das fordern wir auch am Zabel-Krüger-Damm.

Unsere Bürgerinitiative setzt sich seit 2019 für mehr Verkehrssicherheit und weniger Lärm am Zabel-Krüger-Damm ein(2). Über 1.000 Menschen unterstützen unsere Petition.(3) Leider hat die SenUMVK unseren Antrag gemeinsam mit 56 weiteren Haushalten für Tempo 30(4) ganztags am ZKD abgelehnt, obwohl

  1. Die Lärmbelastung über 65 dB und damit über den Auslösewerten des
    Lärmaktionsplans liegt.(5)
  2. Tempo 30 positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit der Straße hat.(6)
  3. Der ZKD aufgrund seiner geringen Fahrbahnbreite keine Sicherheitsabstände bietet.(7)

    Warum werden Raserei, unnötiges Beschleunigen, Hupen, überlaute Fahrzeuge nicht konsequenter verfolgt, obwohl Sie im Koalitionsvertrag „Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (…) stärker kontrollieren und ahnden“ wollen.

    Zudem weist das Schreiben der SenUMVK Widersprüche auf:
  1. Die von der SenUMVK im August 2020 durchgeführte 24-Stunden-Zählung weist in Sachen Verkehrsstärke und LKW-Anteil deutliche Unterschiede zur Verkehrsmengenerhebung von 2019 auf – pandemiebedingt.
  2. Es werden unterschiedliche Angaben zum LKW-Anteil gemacht – mal sind es ein, mal sind es 5,7 Prozent. Die Erläuterungen der SenUMVK zu den verschiedenen LKW-Anteilen sind widersprüchlich.
  3. Es gibt keine Transparenz zu den tatsächlich gezählten Fahrzeugen und dem verwendeten Berechnungsverfahren.
  4. Es wird argumentiert, dass bei Tempo 30 in Nebenstraßen ausgewichen wird – ohne konkrete Zahlen zu nennen. Aber in den Nebenstraßen gilt bereits Tempo 30.
  5. Es wird argumentiert, dass die Polizei am ZKD überwiegend nur Unfälle wegen „ungenügendem Sicherheitsabstand“ registriert, nicht wegen „Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit“. Konkrete Zahlen werden nicht genannt. Dabei wird ignoriert, dass sich der Reaktions- und Bremsweg bei Tempo 30 gegenüber Tempo 50 um die Hälfte verringert.8 Das würde auch die Unfälle mit „ungenügendem Sicherheitsabstand“ reduzieren.

    Auf Zahlen und Fakten unsererseits wird nicht eingegangen, bei ihren Widerspruchsschreiben bleibt die SenUMVK dagegen vage und subjektiv. Antworten dauern bis zu sieben Monate, während man uns selbst nur einen Monat Zeit gibt. Einzelne Ortsbesichtigungen wiegen schwerer als die alltägliche Wahrnehmung der Anwohner/innen.

    Deshalb, sehr geehrte Frau Giffey, sehr geehrte Frau Jarasch, unsere Frage an Sie:
    Wollen oder können Sie nicht? Brauchen wir erst einen Verkehrstoten oder wann wollen Sie handeln? Warum sind Ihnen die Sicherheit und Gesundheit der Anwohner und Verkehrsteilnehmer am ZKD nicht wichtig? Mehr als 270 Städte und Gemeinden wollen Tempo 30 flächendeckend einführen(9) – warum Berlin nicht?

    Es ist ja bekannt: die Berliner Verwaltung ist langsam, unterbesetzt und auch noch zweigliedrig. Aber wir bitten Sie darum, endlich zu handeln.

    Wir freuen uns auf eine Antwort.

    Mit freundlichen Grüßen
    Tobias Büchner, Verena Schwachmeyer, Markus Bieletzk, Matthias Eigenbrodt
    Bürgerinitiative Zabel-Krüger-Damm Changing Cities
    www.izkd.de. mail@izkd.de
    und
    Ragnhild Sørensen
    ragnhild.soerensen@changing-cities.org
    www.changing-cities.org

    Quellen:
    1) www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/umgebungslaermrichtlinie/laermaktionsplanung
    2) www.izkd.de
    3) www.openpetition.de/petition/online/verlangsamung-und-verminderung-des-verkehrs-am-zabel-krueger-damm
    4) www.izkd.de/Aktuelles012022.html
    5) www.berlin.de/umweltatlas/verkehr-laerm/laermbelastung/2017/karten/
    6) www.umweltbundesamt.de/publikationen/wirkungen-von-tempo-30-an-hauptverkehrsstrassen
    7) Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) 2006, Punkt 4.3: “Wenn es die straßenräumliche Situation
    (insbesondere die Straßenraumbreite) und der Raumbedarf anderer Nutzungsansprüche notwendig machen […], können eingeschränkte Bewegungsspielräume angesetzt und z.T. auf die Sicherheitsabstände verzichtet werden. Die Bemessung mit eingeschränkten Bewegungsspielräumen setzt in der Regel geringe Geschwindigkeiten (<= 40 km/h) und eine umsichtige Fahrweise voraus, die durch eine geeignete Gestaltung und verkehrsrechtliche Regelungen zu unterstützen sind.”
    8) www.vcd-bayern.de/texte/Tempo_30_50_Visualisierung_Anhaltewege_KV_LA.pdf
    9) www.lebenswerte-staedte.de