Mit weniger Geld mehr Radwege bauen? Magisches Denken der Verkehrssenatorin ist keine verantwortungsvolle Politik

Berlin, 17. August 2023 – Der Entwurf für den Doppelhaushalt 2024/25 in Berlin sieht für den Radverkehr eine Kürzung von 10 Prozent (3,3 Millionen Euro) gegenüber 2023 vor, so die erste Auswertung von Expert*innen von Changing Cities. Auch bei Kiezblocks, Fußverkehr, Parkraumbewirtschaftung und Spielstraßen soll massiv gekürzt werden. Gleichzeitig steigen aber die Baukosten, und es droht eine Kürzung der Fördergelder vom Bund. Diese Zahlen zeigen das wahre Gesicht des Senats: Das Berliner Mobilitätsgesetz wird missachtet und unterlaufen.

Die für den Radverkehr veranschlagte Summe von 29,2 Millionen Euro in 2024 und 29,7 Millionen in 2025 (Summe korrigiert, 17. August 10 Uhr) ist viel zu gering, um die gesetzlich verankerten Ausbauziele des Radnetzes einzuhalten. 2022, als eine ähnliche Summe im Haushalt bereitgestellt war, wurden laut Senatsverwaltung nur 23 Kilometer Radwege gebaut. 2024 sind allerdings 100 Kilometer und 2025 150 Kilometer vorgesehen – allein im Vorrangnetz. Um die Ausbauziele beim Radnetz einzuhalten, müsste das Budget für den Radverkehr für 2024 mindestens verdoppelt, für 2025 verdreifacht werden. Senatorin Manja Schreiner (CDU) wird erklären müssen, wie sie bei steigenden Baukosten und absehbar sinkenden Fördermitteln mit diesen vollkommen unzureichenden Beträgen mehr Radwege als ihre Vorgängerin bauen will.

Für Straßenbauprojekte hingegen möchte die Senatsverwaltung ein Vielfaches dieses Budgets ausgeben: Allein für den Bau der Tangentialverbindung Ost (TVO) kommen mindestens 193 Millionen Euro auf das Land Berlin zu. Zahlreiche weitere Projekte, die vor allem dem Autoverkehr zugutekommen, sind im Haushaltsentwurf konkret benannt und mit Zahlen unterlegt – beim Radverkehr werden nur Pauschalen genannt. Eine echte Förderung des Umweltverbunds, wie im Mobilitätsgesetz festgelegt, sieht anders aus.

„Das Mobilitätsgesetz ist kein Radgesetz, sondern ein Gesetz für alle Berliner*innen – auch für autofahrende Berliner*innen. Das wird leider oft falsch dargestellt! Vom Geld, das in das Radnetz investiert wird, profitiert also die ganze Stadt – warum wird hier nicht mehr getan? Wer sparsam wirtschaften und gleichzeitig viel erreichen will, sollte in den Radverkehr investieren. Hier sind im Vergleich zu den Ausgaben für den Autoverkehr mit geringeren Summen größere Verbesserungen für den Verkehr möglich – und zwar nicht nur für Radfahrende  – auch Autospuren werden durch bessere Radwege entlastet“, sagt Katharina Schlüter, Geschäftsführerin von Changing Cities.

Die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt geht selbst von Baupreissteigerungen von 50 bis 80 Prozent in den kommenden fünf bis neun Jahren aus. Völlig unklar bleibt zudem, ob Berlin die vom Senat erwarteten Fördermillionen aus dem Bund überhaupt bekommt. Immerhin 75 bis 90 Prozent der Radinfrastruktur sollen darüber finanziert werden, gleichzeitig sieht der Haushaltsentwurf für 2024 im Bund jedoch massive Kürzungen beim Radwegeausbau vor. Damit wird ein demokratisch beschlossenes Gesetz vom Senat unterlaufen.

Dieser Haushaltsentwurf ist eine Absage an die Verkehrswende in Berlin. Der Kfz-Verkehr wird klar priorisiert. Changing Cities fordert eine Korrektur des Haushaltsentwurfs zugunsten des geltenden Mobilitätsgesetzes. Ein “Miteinander”, bei dem Mobilität, Sicherheit und Gesundheit, insbesondere von Kindern und Senior*innen, die zu Fuß und mit dem Rad unterwegs sind, weniger zählen als der Kfz-Verkehr, ist kein Miteinander.  

Korrektur (17. August 10.30 Uhr): Im zweiten Absatz hatte sich ein Fehler in unsere Pressemitteilung eingeschlichen. Hier war ursprünglich eine Gesamtsumme von 27,7 Millionen für Radverkehr angegeben. Korrekt ist, nach unseren ersten Auswertungen, 29,2 Millionen für 2024 und 29,7 Millionen für 2025.

Ansprechpartnerin Changing Cities e.V.:
Mara Hasenjürgen, mara.hasenjuergen@changing-cities.org, +49 174 47 58 223

Weiterführende Links:
Haushaltspläne der SenMVKU
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Über Changing Cities e.V.:
Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.