Mit unserer neuen Kampagne #schönerverkehren wollen wir Verhalten im Straßenverkehr sichtbar machen, das in keinem anderen sozialen Bereich so geduldet werden würde. Dachten wir. Erreichen wollen wir, dass Menschen sich in die Lage der anderen versetzen – einen Perspektivwechsel also. Angesichts der aktuellen Lage kriegt der Kampagnentitel eine ganz neue Bedeutung.
Wir haben absichtlich den Begriff Verkehr genutzt, nicht nur weil er so neckisch zweideutig ist, sondern vor allem, weil er anders als Mobilität soziale Interaktion einschließt. Dabei haben wir zwei Ebenen ins Visier genommen: Wie verhalten sich Menschen auf der Straße und wie wird dieses Verhalten in den sozialen Medien gespiegelt? Ein kleines Beispiel: Viele Eltern bringen ihr Kind zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule oder lassen es sogar den Weg allein gehen oder fahren. Einige Eltern fahren mit dem Auto direkt vor die Schule, so dass die Situation unübersichtlich wird. Andere Eltern reagieren und bringen ihr Kind ebenfalls mit dem Auto und bald kommen nur noch einzelne Kinder zu Fuß oder mit dem Rad und sind der Situation schutzlos ausgeliefert. Schaut man jetzt in die Kommentarspalten zum Thema Elterntaxi, wird kaum mehr differenziert und Eltern gehen in Schutzbehauptungen: „Was soll ich denn machen, wenn ich mein Kind sicher zur Schule bringen will?“ Ganz klar scheint zu sein: Die Eltern sind selbst schuld. Dass Tempo-30-Zonen vor Schulen und Kitas auch von anderen ignoriert werden, spielt keine Rolle.
Was hat das mit der jetzigen Situation zu tun? Viel. Um eine schnelle und massive Ausbreitung des Virus zu verhindern, wird geraten zu Hause zu bleiben. Die Grundversorgung ist gesichert und wenn sich alle dran halten, dann schaffen wir es gemeinsam – auch ohne Verbote. So die Idee. Dann beginnen Einzelne Lebensmittel oder andere Artikel der Grundversorgung zu horten, so dass diese zeitweise ausverkauft sind. Bilder von leeren Regalen, die im Internet kursieren, verstärken das Gefühl der Unsicherheit und noch mehr Menschen kaufen über ihren Bedarf. Jede*r, der sich heute ein Paket Toilettenpapier kauft, wird vermutlich von Einigen als „Hamsterer“ eingestuft – egal, wie viel er davon zu Hause hat. Menschen posten Fotos von überfüllten Cafés oder Parks, andere versuchen zu Hause zu bleiben und fragen sich, warum sich so viele nicht an die Regeln halten. Zurück zum Straßenverkehr: Deswegen funktionieren Poller immer, aber „Schule – bitte langsam fahren“ wird auch immer wieder mal ignoriert.
Das ist kein Lobgesang auf eine generelle Ausgangssperre, aber im übertragenen Sinne: „Wenn nicht langsamer gefahren wird, kommen die Poller.“ Und wenn es ganz schlecht läuft, erst nachdem etwas passiert ist. Aber wenn jede*r bereit ist, etwas schöner zu verkehren, dann bleibt die Straße offen für alle – wortwörtlich. Und Verurteilungen bringen nichts. Wenn ich nur ein Paket Toilettenpapier kaufe, hat derjenige neben mir keine Sorge, nichts mehr abzubekommen und der dritte keine Möglichkeit ein leeres Regal zu fotografieren. Die Spirale kommt zum Stillstand.
#schönerverkehren #flattenthecurve #socialdistancing