Superblock-Konferenz setzt neue Standards

Menschen aus 27 Städten trafen sich am Wochenende zur ersten Superblock-Konferenz in Darmstadt, um die Empfehlungen für Superblocks zu beraten. Mit diesen wurden bundesweite Standards für die Einrichtung von Wohnvierteln ohne Durchgangsverkehr veröffentlicht. Hiermit erhalten Kommunen Richtlinien für niedrigschwellige Maßnahmen zur nachhaltigen Stadtentwicklung, die von Changing Cities erarbeitet wurden. 

Die Superblock-Bewegung ist noch im Werden. Begonnen hat sie mit den Kiezblocks in Berlin vor etwa dreieinhalb Jahren. Heute sind 68 zivilgesellschaftliche Initiativen für Kiezblocks in der Hauptstadt tätig. Das aus Barcelona bekannte Konzept verbreitete sich schnell in der ganzen Bundesrepublik. Mittlerweile haben sich in 27 deutschen Städten Initiativen gegründet, die in ihren Vierteln die Einrichtung eines Superblocks fordern. Menschen in städtischen Quartieren wünschen berechtigterweise Ruhe und bessere Luft. Die Lösung: Während alle Orte im Superblock nach wie vor auch per Kfz erreichbar bleiben, werden der Kfz-Durchgangsverkehr und die Schleichwege unterbunden. 

„Die Städte ersticken im Kfz-Verkehr. Obwohl Politik und Verwaltung immer wieder versprechen, das Problem einzudämmen, bleibt eine ernstzunehmende Verkehrswende in weiter Ferne. Deswegen ergreifen Bürgerinnen und Bürger jetzt die Initiative und fordern verkehrsberuhigte Wohnviertel ohne Durchgangsverkehr, sogenannte Superblocks. Sie wissen: Es gibt ein städtisches Leben außerhalb des Autos, das auch geschützt werden will. Für diese Menschen haben wir die Konferenz organisiert“, sagt Valentina Haas, die bei Changing Cities die Superblocks-Kampagne leitet. 

Das Konzept der Superblocks ist ein niedrigschwelliges Angebot an die Kommunen, das mit den Empfehlungen für Superblocks einen klaren Weg beschreibt, wie Verkehrssicherheit verbessert, Wirtschaftsverkehr optimiert, Klimaanpassung erleichtert und urbane Lebensqualität gesteigert werden können. Das Konzept ist günstig und erfordert keine Tiefbaumaßnahmen. ÖPNV, Fuß-, Rad- und Wirtschaftsverkehr, Feuerwehr, Müllabfuhr etc. haben überall im Viertel erleichterten Zugang – nur der ortsfremde Durchgangsverkehr wird verhindert. Auch der lokale Anliegerverkehr kann jeden Ort im Superblock anfahren.

Bei der Konferenz ging es um städtebauliche Entwicklung im Zeichen des Klimawandels: Menschen in Städten erleben die klimabedingte Hitze und Dürre viel unmittelbarer und bedrohlicher als Menschen in suburbanen und gar ländlichen Gegenden mit weit mehr kühlendem Grün. Der Bedarf an grüner und blauer Infrastruktur – also Bäume und Entsiegelung zur Wasserspeicherung – ist in urbanen Räumen weit drängender. Unter anderem in Berlin wurde dieses Jahr wegen fehlender Gegenmaßnahmen die 1,5-Grad Grenze deutlich überschritten.

„Es ist ja nicht so, dass die Innenstädte nur von Hippies bevölkert sind, die Bäume umarmen wollen. In den eng bevölkerten innerstädtischen Wohngegenden sind die Flächen weitgehend vom parkenden und fahrenden Pkw-Verkehr belegt. Es gibt wenig Bäume, die Schatten spenden, und kühlere Orte mit guter Luft, und die Menschen leiden darunter. Besonders Kinder und ältere Menschen sind davon betroffen. So sterben in Deutschland inzwischen mehr Menschen vorzeitig an den Folgen von Hitze als im Straßenverkehr“, kommentiert Ragnhild Sørensen von Changing Cities.

Bisher werden solche Empfehlungen für den Straßenverkehr von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. (FGSV) erarbeitet. In diesem Verein ist autozentriertes Denken noch tief verankert. Seine Empfehlungen werden oftmals intransparent und ohne demokratische Kontrolle vom Bundesverkehrsministerium übernommen und sind dann für die Straßenverkehrsplanung quasi verbindlich.
Changing Cities schlägt nun drei abgestufte Planungsstandards vor, die es Politik und Verwaltung erleichtern sollen, Superblocks anzulegen und das Verkehrsberuhigungskonzept Schritt für Schritt zu skalieren. Diese Standards wurden in einem offenen Prozess mit Akteuren aus der gesamten Zivilgesellschaft erarbeitet. Die Beteiligung wird laufend ausgeweitet und weitergeführt. 

Die 67 Teilnehmer*innen kamen aus folgenden Städten:
Basel, Berlin, Bochum, Celle, Darmstadt, Dortmund, Essen, Frankfurt am Main, Freiburg, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Karlsruhe, Kempen, Köln, Leipzig, Mainz, München, Nürnberg, Nürtingen, Offenbach, Schwerin, Stuttgart, Traunstein, Wien, Wiesbaden und Wuppertal.

Pressekontakt:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, +49 171 535 77 34

Weiterführende Links:
Empfehlungen für Superblocks 2023, Version 1.1
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Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.