In Darmstadt wird ein jahrelang geplantes Projekt zur Verkehrsberuhigung, der sogenannte Heinerblock, auf Eis gelegt. Zivilgesellschaftliche Initiativen kritisieren das Vorgehen und halten die Gründe für vorgeschoben. Sie fordern, den ersten Block schnell voranzubringen und Planungen auf weitere Gebiete auszuweiten.
Das Projekt Heinerblocks hatte eigentlich allen Rückenwind, den man sich für ein Projekt wünschen kann: Eine freudige Erwartungshaltung in der Bevölkerung, über 2000 Unterschriften, ein Beschluss in der Stadtverordnetenversammlung ohne Gegenstimmen, und eine starke Unterstützung in der Bürgerbeteiligung.
Doch die Schere zwischen Ankündigungen und Umsetzung der Stadtpolitik wird immer größer. Im Koalitionsvertrag wurde noch vereinbart, ein ganzes Viertel z.B. das Martinsviertel in dieser Legislaturperiode autoberuhigt umzugestalten. Von Verantwortlichen hieß es, das Thema sei in Bearbeitung. Nachdem ein Jahr nichts passierte, sammelte die Initiative über 2065 Unterschriften für Superblocks und die schnelle Umsetzung eines Pilot-Blocks im Frühjahr 2023. Beschlossen wurde in der Stadtverordnetenversammlung dann die Umsetzung eines einzigen Superblocks für das 3. Quartal 2023. Dann wurde aber die für Mai geplante Bürgerbeteiligung auf September verschoben und im folgenden auch die Umsetzung der ersten Maßnahmen auf Frühjahr 2024 verschoben. Als dann die Pläne vorgestellt wurden, waren diese viel ambitionsloser als erwartet. Dies Kritisierte ein Bündnis von Initiativen. Die konkreten Pläne wurden dann im Magistrat und im Haupt- und Finanzausschuss beschlossen.
Doch dann stoppte Stadtrat Paul Wandrey (CDU) das Projekt. Das sei Ergebnis der Haushaltsgespräche der Koalition aus von Grünen, CDU und Volt mit der SPD unter OB Hanno Benz. Doch ob es dabei wirklich ums Geld ging wird von einigen Seiten bezweifelt.
Gerhard Schmidt von heiner*blocks meint: „Das Projekt läuft schon längst. Die aufwändige Bürgerbeteiligung und Planung haben im Wesentlichen stattgefunden. Nun wäre es absurd, die Pläne nicht umzusetzen, nur um ein paar Schilder und Poller einzusparen. Der Versuch bietet die Möglichkeit, jetzt mit geringem zusätzlichem Aufwand viel zu erreichen was Schul-, Gehwegsicherheit und Durchgangsverkehr anbelangt.“
Johannes Rümmelein von heiner*blocks ergänzt: „Hier geht es auch ganz wesentlich darum, die Sicherheit auf der Schulwegachse in den Bürgerpark zu erhöhen. Der Großteil der Leute im Quartier will das Projekt. Das zeigte sich bei der umfangreichen Bürgerinnenbeteiligung genauso wie in über 2000 Unterschriften. Die Bürger im Quartier vertrauen auf eine baldige Umsetzung des versprochenen Pilotprojektes. Im Sinne von Verlässlichkeit und von Vertrauen in Politik ist es wichtig, nicht einfach eine Bürgerinnenbeteiligung ins Leere zu veranstalten, sondern getroffene Entscheidungen auch endlich umzusetzen. Das Projekt hätte laut Stavo Beschluss bereits 2023 umgesetzt werden sollen. Nun geht es darum, Vertrauen einzulösen. Alles andere ist das Gegenteil von bürgernah. Die Leute fühlen sich verarscht.“
Stephan Voeth vom VCD Darmstadt-Dieburg meint: „Es ist eine Farce wie ein Superblock erst mit großer Zustimmung beschlossen und dann immer weiter verschleppt und zusammengestrichen wurde. Das Projekt hat riesige Unterstützung in der Bevölkerung und wurde im Grundsatz schon vor einem Jahr ohne Gegenstimme in der Stavo beschlossen. Das Projekt sollte mit wenig Aufwand viel Verbesserung der Lebensqualität und Sicherheit bringen, den öffentlichen Raum aufwerten und Schulwege sichern. Wir haben schon bei der Vorstellung der Pläne die Mutlosigkeit des Vorgehens kritisiert, welches hauptsächlich auf einer Entfernung des illegalen Gehwegparkens beruhte. Dieses Falschparken muss die Stadt ohnehin unterbinden und die entsprechenden Maßnahmen umsetzen. Dieser Verpflichtung kann sie nicht einfach aus Geldmangel eine Absage erteilen.“
„Auch eine zu befürchtende Mittelknappheit sollte die Einleitung des Projekts nicht verhindern”, sagt Klaus Görgen vom ADFC Darmstadt-Dieburg. „Die dazu notwendige Beschilderung sowie die Einrichtung der geplanten Modalfilter verschlingt keine Unsummen.“
Auch aus Frankfurt gibt es schon Reaktionen. Der Fraktionsvorsitzende von Volt im Römer setzt sich selbst für Superblocks in Frankfurt ein und schreibt in einer Instagramstory und auf X: „Das ist doch ein Witz! Damit spart man angesichts eines Haushaltslochs von 100 Mio. kein Geld, mickrige Beträge sind das, zumal schon Geld für die Planung geflossen ist. DA setzt damit falsche Negativpriorität und spart an einer eigentlich kosteneffizienten Maßnahme #Superblocks.“
Auch Valentina Haas von Changing Cities meint: „Unsere Städte ersticken im Kfz-Verkehr und wir Bürgerinnen in Abgasen und Hitzesommern. In Deutschland sterben mittlerweile mehr Menschen vorzeitig an den Folgen von Hitze als im Straßenverkehr. Superblocks sind das Mittel um das zu ändern und unsere Städte lebenswert zu machen. Im November haben wir deshalb die erste bundesweite Superblock-Konferenz in Darmstadt veranstaltet. Superblock Engagierte aus 30 Städten kamen zusammen, denn wir sind längst zu einer deutschlandweiten Bewegung gewachsen. Wo bleibt der Ehrgeiz der Stadt Darmstadt bundesweiter Vorreiter zu werden?“
Björn Schulz vom Klimaentscheid betont: „Das Projekt wurde schon einmal verschoben. Wenn nun der Großteil eingestampft wird und noch nicht mal ein klarer Zeitplan für die kleinen Maßnahmen genannt wird, kommt da das Gefühl einer Pseudobeteilgung auf – und von einem Projekt das politisch gestoppt wurde, obwohl keiner dazu steht es stoppen zu wollen.“
Anwohnerin und Betroffene Tanja Heuser äußert sich enttäuscht: „Wir brauchen endlich sichere Schulwege statt Gehwegparken und massiven Durchgangsverkehr. Die längst erarbeiten Schulwegpläne dazu wurden nie umgesetzt. Ich dachte das kommt jetzt endlich mit dem Heinerblock. So sagte das Herrn Wandrey noch im September. Diese wichtigen Prozesse sind jetzt auch gestoppt. Politik muss verlässlich sein, genauso wie der Weg für die über 400 Grundschüler zur Schillerschule.“
Antje Sander von Parents for Future meint: „Ich hätte das nachvollziehen können, wenn das Mobilitätsamt sich jetzt mit den Initiativen und den Anwohnern zusammensetzt und nach Ideen fragt wo und wie da Mittel gespart werden könnten. Dieses vorbildliche Projekt komplett zu streichen ist jedoch das Gegenteil dessen, was eine Stadtregierung tun sollte -, auf Bürgerbeteiligung und Zukunftsfähigkeit setzen.“
Luisa Emrich von heiner*blocks unterstreicht: „Es geht um mehr Aufenthaltsqualität und Sicherheit für die schwächeren Verkehrsteilnehmer. Die Konzepte heißen LTN in Großbritannien, autolow in den Niederlanden, Superblocks in Barcelona oder Kiezblocks in Berlin. Ziel ist immer, die Lebensqualität im Quartier mit mehr Grün, nutzbarem öffentlichen Freiraum und sicheren Wegen für alle zu erhöhen. Dafür gilt es, den Verkehr zu beruhigen und den Autoverkehr auf ein notwendiges Maß zu reduzieren. Worauf es aber am Ende ankommt ist die Umsetzung. Und da ist Darmstadt einfach schlecht. Wir müssen das jetzt in die Fläche bringen, konsequent und in der ganzen Stadt. Wir brauchen nicht weniger, sondern endlich mehr Superblocks!“