Mit angezogener Bremse – Berlin müht sich um Fahrradfreundlichkeit

In Städten über 500.000 Einwohner gewinnt Berlin dieses Jahr den Aufholerpreis im Ranking der fahrradfreundlichsten Städte Deutschlands. Changing Cities gratuliert und freut sich über den Fortschritt, obwohl die mickrige Note (4,3) für eine Stadt mit einem Mobilitätsgesetz im Grunde eine mäßige Zwischenbilanz darstellt.

Die Berliner Zivilgesellschaft setzte 2016 Maßstäbe, als sie mit dem Volksentscheid Fahrrad das Thema Fahrradfreundlichkeit auf die politische Agenda setzte. Ohne diese intensiven Bemühungen hätte das Mobilitätsgesetz der rot-rot-grünen Koalition nie das Tageslicht erblickt. Vom ersten, viel gefeierten Mobilitätsgesetz Deutschlands haben die Berliner und Berliner*innen allerdings bisher nur wenig auf der Straße spüren dürfen. Im Gesamtranking des Fahrradklimatests reichte es dann eben auch nur zum Platz 12 von 14.

„Berlin will bis 2050 die komplette Dekarbonisierung, bis 2030 ein fertig ausgebautes Radnetz und bis 2025 100.000 Radstellablagen“, sagt Yvonne Hagenbach, Vorstand von Changing Cities, „da ist der Aufholerpreis gut für die Motivation aber sicher kein Maßstab. Berlin muss sich sputen, um nur in Reichweite der selbstgesteckten Ziele zu kommen.“

Für die Planer im Senat und den Bezirken fehlen bis heute wichtige Leitfäden, die ihnen mit Qualitätsstandards, einem konkreten Maßnahmenkatalog und verbindlichen Fristen ermöglichen sollen, das Mobilitätsgesetz zügig umzusetzen. Mit höchster Priorität müssen jetzt schnell und transparent Baustellenleitfaden, Fahrradstraßenleitfaden und AV Geh- und Radwege fertiggestellt werden, damit Planer*innen und verantworltiche Politiker*innen wissen, wie mobilitätsgesetzkonforme Infrastruktur in Berlin auszusehen hat.

„Die Berliner erwarten, dass die Leitfäden bis zum einjährigen Geburtstag des Mobilitätsgesetzes im Juni ausgearbeitet sind. Dann gibt’s für alle etwas zu feiern!“, so Ragnhild Sørensen, Pressesprecherin bei Changing Cities.

Pressekontakt Changing Cities:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, 0171 535 77 34

Weiterführende Links:
Das Berliner Mobilitätsgesetz (mit Begründungen)
Das Berliner Radverkehrsnetz, Entwurf vom Oktober 2018
Informationen zum Volksentscheid Fahrrad

Über Changing Cities e.V.: Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürgerinitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.

Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Ein 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benannte konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad wurde Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berliner*innen unterschrieben – 7% der Wählerstimmen. Die neue Koalition sagte darauf zu, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen. Am 28. Juni 2018 verabschiedete der Berliner Senat Deutschlands erstes Mobilitätsgesetz. Jährlich werden nun mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege investiert.