Mahnwache für getötete Fußgängerin – Verbände fordern Entschärfung von Berliner Monster-Kreuzungen

Gemeinsame Pressemitteilung von Changing Cities, FUSS e.V. und VCD Nordost

Changing Cities, FUSS e.V. und der Verkehrsclub Deutschland (VCD Nordost) rufen zur Mahnwache für die 84-jährige Frau auf, die am Dienstag von einem abbiegenden Lastwagen getötet wurde. Die Mahnwache findet am Unfallort statt. Wieder war es ein Abbieger, wieder ein Lastwagen.

WANN: Donnerstag 1. August, 17:30 Uhr
WO: Kleiststraße Ecke Martin-Luther-Straße in 10787 Berlin-Schöneberg

Erneut ist ein Mensch an einem der Orte umgekommen, an denen Autoverkehr der meiste Raum gegeben und für ihn der größte technische Aufwand betrieben wird: an einer großen Kreuzung – hier von fünf Straßen mit insgesamt 32 Fahrspuren. Stefan Gammelien von Changing Cities: „Ursachen für den tödlichen Unfall sind gleich drei Skandale der Verkehrspolitik: Die Kreuzung ist unübersichtlich und überkomplex und darf zu schnell befahren werden. Die Ampeln sind gefährlich geschaltet, und nach wie vor gibt es nicht einmal für LKWs die Pflicht zu elektronischen Abbiege-Assistenten Die Kreuzung ist eine einzige Bankrotterklärung der autogerechten Stadt – in den 1960-er Jahren gebaut, seitdem praktisch nicht verändert. Sie gefährdet Menschen; sie verschwendet und versiegelt wertvollen Stadtraum.“

Ragnhild Sørensen von Changing Cities: „Wir haben ein Mobilitätsgesetz, das sichere Kreuzungen verspricht. Ein Gesetz, das Vorrang für Fuß- und Radverkehr und den ÖPNV vorschreibt. Wir fordern den sofortigen Umbau der gefährlichen Kreuzungen und ein sofortiges Fahrverbot für Lkw ohne elektronischen Abbiege-Assistenten in Berlin. Das Töten auf der Straße muss ein Ende haben.“

Roland Stimpel von FUSS e.V: „Ein Ort wie dieser vermehrt nicht Mobilität, sondern er bremst und gefährdet Menschen. Wer diese Kreuzung zu Fuß oder mit dem Fahrrad überquert, muss auf knapp hundert Meter bis zu fünfmal an Ampeln warten – und ist dann bei Grün einem tödlichen Risiko durch Abbieger ausgesetzt.“

Die drei Verbände gedenken des Opfers – dem neunten Fußgänger im Berliner Straßenverkehr in diesem Jahr. Längst ist bekannt und oft gefordert, was hier zur Sicherheit geschehen muss: kurzfristig Grün-Entzerrung von Fußgängerüberweg und abbiegenden Fahrzeugen. Grundsätzliche Tempolimits für Abbieger – solange LKW und andere Fahrzeuge mit schlechter Sicht noch keine Abbiegeassistenten haben: Schrittgeschwindigkeit, also fünf Stundenkilometer. Und die Pflicht für alle großen und unübersichtlichen Fahrzeuge zu elektronischen Warnsystemen. Die Berliner Wasserbetriebe gehen da mit einem guten Beispiel vor. Auf mittlere Sicht gehört die Kreuzung umgebaut und verkleinert. Die heutige Horror-Kreuzung kann damit zum Vorbild für viele Berliner Gefahrenkreuzungen werden, die in gleicher Art umgebaut werden müssen.

Wenn Autoverkehr und Radverkehr permanent miteinander kreuzen, erhöht sich die Gefahr einer Kollision von Auto und Fahrrad automatisch. Bei Fahrradweichen sind rechtsabbiegende Pkw und Lkw gezwungen, den geradeausführenden Radstreifen zu kreuzen. Changing Cities weist seit Monaten auf die Gefährlichkeit dieser Führungsform hin und fordert, keine Fahrradweichen mehr einzurichten. Bereits vorhandene müssen rasch umgestaltet werden. 

Ansprechpartner*innen für die Presse bei Changing Cities e.V.:
Ragnhild Sørensen, ragnhild.soerensen@changing-cities.org, 0171 535 77 34

Weiterführende Links:
Polizeimeldung vom 30.07.2019
Bilder zur kostenlosen Nutzung für die Presseberichterstattung
Informationen zum Volksentscheid Fahrrad

Über Changing Cities e.V.: Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürgerinitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.

Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Ein 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benannte konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad wurde Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berlinern unterschrieben – 7% der Wählerstimmen. Die neue Koalition sagte darauf zu, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen. Am 28. Juni 2018 verabschiedete der Berliner Senat Deutschlands erste Mobilitätsgesetz. Jährlich werden nun mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege investiert.